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von Chris Krikellis
Note: 7
Souls of a River ist ein langer Bewusstseinstrom. Die Geschichte zweier Männer mit zwei unterschiedlichen Hintergründen, die viel mehr gemeinsam haben, als es zunächst scheint. Die Geschichte zweier Menschen, aber auch die Geschichte der Welt, in der wir leben, einer kapitalistischen Gesellschaft, die uns ständig dazu bringt, weit weg von zu Hause nach der ersehnten Gelassenheit zu suchen. Auf der Diagonale’23.
Grenzen
Was bedeutet der Begriff „Heimat“? Was bedeutet es, sich in seinem Heimatland als Fremder zu fühlen? Und vor allem: Wie kann ein Mensch als „illegal“ betrachtet werden, wenn er die Grenze zwischen zwei Nationen überschreitet? Der in Griechenland geborene und in Deutschland lebende Filmemacher Chris Krikellis stellt diese komplexen Fragen in seinem Dokumentarfilm Souls of a River, der im Rahmen der Diagonale’23 gezeigt wurde.
Souls of a River ist also eine lange und oft schmerzhafte Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Eine Reise, die in Deutschland beginnt und nach Griechenland, in die Türkei und schließlich nach Wien führt. Chris Krikellis zog mit seiner Mutter nach Berlin, als er acht Jahre alt war. Griechenland ist für ihn fast ein fremdes Land. Zugleich bildet der Fluss Evros die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Auf der griechischen Seite trifft der Regisseur Pavlos Pavlidis, einen Gerichtsmediziner, der jeden Tag die Leichen derjenigen birgt, die versucht haben, den Fluss zu überqueren, um ihre Heimat zu verlassen. Die Opfer werden von ihren Angehörigen oft nur dank einiger Gegenstände, die ihnen gehörten, erkannt. Unter ihnen gibt es aber leider auch solche, die „namenlos“ bleiben.
Und so werden wir auf dieser langen Reise von Souls of a River mit zahlreichen Fragen konfrontiert, die oft schwer zu beantworten sind. Die Welt, in der wir leben, ist ausschließlich durch den Menschen so geworden. Und am Ende scheint es keine Rücksicht mehr auf den Menschen selbst zu geben.
Um all dies zu inszenieren, hat sich Chris Krikellis für einen eher kontemplativen Regieansatz entschieden, bei dem kurze Dialoge zwischen dem Regisseur und dem Gerichtsmediziner von langen Pausen, in denen Bilder von Zugvögeln, die auf ihrem Weg zu fernen Zielen über den Evros-Fluss fliegen, oder eindrucksvolle Totalen, die uns weite Landstriche zeigen, einfach für sich sprechen, „unterbrochen“ werden. Eine Herangehensweise, die bewusst auf Rhetorik und Virtuosität verzichtet, der es aber gleichzeitig in ihrer Einfachheit gelingt, das, was der Regisseur uns sagen wollte, vollständig zu vermitteln und uns die Freiheit zu geben, unsere eigenen Schlüsse zu ziehen.
Souls of a River ist also ein langer Bewusstseinstrom. Die Geschichte von zwei Männern mit zwei unterschiedlichen Hintergründen, die viel mehr gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick scheint. Die Geschichte zweier Menschen, aber auch gleichzeitig die Geschichte der Welt, in der wir leben, einer kapitalistischen Gesellschaft, die uns ständig dazu bringt, weit weg von zu Hause nach der ersehnten Gelassenheit zu suchen. Eine Geschichte, die (vorübergehend?) in der schönen Stadt Wien, der dritten Heimat des Regisseurs, endet. Wir wissen nicht, ob seine Reise wirklich hier endet. In der Zwischenzeit hat er uns mit Souls of a River viele wertvolle Denkanstöße und schöne Bilder auf der Leinwand geschenkt. Bilder, die sofort eine universelle Bedeutung bekommen und noch lange in unserem Gedächtnis bleiben werden.
Titel: Souls of a River
Regie: Chris Krikellis
Land(Jahr: Deutschland, UK, Österreich / 2022
Laufzeit: 83’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Chris Krikellis
Kamera: Judith Benedikt
Produktion: Plaesion Film und Vision