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DUALITÄTEN – FRITZ LANG UND BONG JOON-HO

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Der südkoreanische Filmemacher Bong Joon-ho hat Alfred Hitchcock, Guillermo del Toro, Martin Scorsese und Akira Kurosawa oft zu den Regisseuren gezählt, die den größten Einfluss auf sein Filmemachen hatten. Den Namen Fritz Lang hat er jedoch nie erwähnt. Was haben diese beiden Autoren aber eigentlich gemeinsam?

Heute wie gestern?

Im Jahr 2019 wurde der südkoreanische Regisseur Bong Jooh-ho bei den 72. Filmfestspielen von Cannes einstimmig mit der Goldenen Palme für Parasite ausgezeichnet – eine wahre Sensation und ein Film, der es auf die eine oder andere Weise geschafft hat, praktisch alle zu begeistern, sowohl Fans des Autorenfilms als auch des Mainstream-Kinos. Aber das war nur der Anfang. Parasite wurde nämlich nur wenige Monate später für nicht weniger als sechs Oscars nominiert und gewann vier davon, darunter den Oscar für den Besten Film (der erste nicht englischsprachige Film, der eine solche Auszeichnung erhielt) und für den Besten internationalen Film.

Viele haben Bong Jooh-ho also erst durch diesen Film kennengelernt, aber es gibt auch diejenigen, die ihn schon seit etwa zwanzig Jahren kennen und sogar behaupten, dass einige seiner frühen Filme noch besser sind als der erfolgreiche Parasite. Auf jeden Fall ist es dem Regisseur gelungen, seinen eigenen, unverwechselbaren Stil zu finden und seinen Filmen jedes Mal eine eigene, ausgeprägte Persönlichkeit zu verleihen. Als großer Fan des Films der Vergangenheit hat Bong Joon-ho oft Alfred Hitchcock, Guillermo del Toro, Martin Scorsese und Akira Kurosawa zu den Regisseuren gezählt, die den größten Einfluss auf sein Filmemachen hatten. Den Namen Fritz Lang hat er jedoch nie erwähnt. Was haben diese beiden Filmemacher gemeinsam? Wenn wir uns zwei wichtige Filme des Regisseurs aus Taegu wie Parasite und Memories of Murder (2003) ansehen, können wir feststellen, dass diese Spielfilme in Bezug auf ihre Herangehensweise und ihre Themen viel mehr mit Langs Kino gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Parasite erzählt die Geschichte der Familie Kim, die, nachdem sie jahrelang in einem schäbigen Keller gelebt hat und in finanziellen Schwierigkeiten steckt, durch eine Reihe von Täuschungen in die luxuriöse Villa der Familie Park einziehen kann, wobei sie die Tatsache ausnutzt, dass die Eigentümer:innen in Urlaub gefahren sind. Nach einer Reihe von Missgeschicken und unvorhergesehenen Ereignissen wird das Familienoberhaupt Kim Ki-taek (gespielt von Song Kang-ho) jedoch in einem Bunker der Villa, den nicht einmal die Eigentümer:innen kennen, eingesperrt bleiben, während seine Familie flüchten konnte. Kim Ki-taeks Schicksal scheint es zu sein, „im Untergrund“ zu leben, wie er es schon seit vielen Jahren getan hat und wie er es noch lange tun muss. Und so sehen wir in Parasite eine klare Trennung zwischen zwei Welten: die unterirdische Welt (bewohnt von denen, die am Rande der Gesellschaft leben) und die überirdische Welt, in der die Reichen die absoluten Herren sind. Woran erinnert uns diese Trennung?

Und hier kommt unser Fritz Lang ins Spiel. In seinem Meisterwerk Metropolis (1927) hat der bekannte österreichische Filmemacher, indem er uns den ewigen Konflikt zwischen Chefs und Arbeitern zeigte, eine klare Trennung zwischen zwei Welten inszeniert: In der unterirdischen Welt bewegen sich die Arbeiter fast wie Automaten, wie lobotomisierte Wesen, deren einziger Zweck es ist, unermüdlich zu arbeiten, um die Mächtigen zu bereichern, die hingegen in der oberirdischen Welt leben, wo Luxus und Wohlstand an der Tagesordnung zu sein scheinen. Ist es also möglich, dass Bong Joon-ho bei seinem Parasite an Metropolis gedacht hat? Wir sind uns dessen natürlich nicht sicher. Aber Fritz Langs Spielfilm war, wie wir alle wissen, eine Inspirationsquelle für viele, viele Werke, die in den folgenden Jahrzehnten entstanden sind (darunter Blade Runner und Star Wars, um nur einige zu nennen).

Wenn wir hingegen versuchen, die bereits erwähnten Memories of Murder (Verfilmung des Theaterstücks Come to See Me von Kim Kwang-lim) zu untersuchen, finden wir wichtige Parallelen zu einem anderen großen Meisterwerk der Filmgeschichte, das Lang gedreht hat: M (1931). M ist nicht nur wegen Langs außergewöhnlichen Experimenten mit Ton und Off (Regeln, die auch heute noch auf der ganzen Welt befolgt werden) in Erinnerung geblieben, sondern auch wegen seiner schonungslosen und doch realistischen Analyse der Menschheit, aus der die Theorie hervorging, dass wir alle potenzielle Mörder:innen sind, was wiederum perfekt mit dem Kanon des Expressionismus übereinstimmt, der immer wieder über die Dualität der Menschen selbst theoretisiert hatte.

In Memories of Murder beginnen die Ereignisse mit der Entdeckung der Leiche einer Frau, die brutal vergewaltigt und ermordet wurde. Detective Park Du-man (ebenfalls gespielt von Song Kang-ho) ist praktisch besessen von diesem Mordfall. Und auch mit der Zeit und einem neuen Beruf wird er sich nicht damit abfinden können, dass er den Mörder nie gefunden hat. Damit hat uns der Regisseur einmal mehr die These vermittelt, dass der Mörder praktisch jeder sein könnte und dass die Dualität im Menschen etwas ist, das wir alle gemeinsam haben. So wie es Lang seinerzeit theoretisierte. Aber auch hier wissen wir nicht, wie sehr der Wiener Regisseur Bong Joon-ho beeinflusst hat und ob er es direkt oder indirekt getan hat.

Tatsache ist, dass wir sehen können, wie bestimmte Theorien und Regieansätze der Vergangenheit oft ihre eigene, wichtige Bedeutung in der Gegenwart wiederfinden. Und auch wenn es viele gibt, die bedauern, was vor vielen, vielen Jahren geschaffen wurde, und bekräftigen, dass heute nur wenige wirklich gute Ideen haben, müssen wir anerkennen, dass es – glücklicherweise! – es immer wieder Menschen gibt, die einen Weg finden, etwas zu bewirken, indem sie auf ihre Weise etwas Innovatives schaffen und dabei gleichzeitig die Erfolge der Vergangenheit schätzen. Bong Jooh-ho ist einer von ihnen.

Info: Die Seite von Bong Joon-ho auf iMDb; Die Seite von Fritz Lang auf iMDb; Die Seite von Parasite auf iMDb; Die Seite von Metropolis auf iMDb; Die Seite von Memories of Murder auf iMDb; Die Seite von M auf iMDb