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INTERVIEW MIT KATHARINA MÜCKSTEIN

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Anlässlich der Diagonale 2023 präsentierte die Regisseurin Katharina Mückstein ihren Dokumentarfilm Feminism WTF. Cinema Austriaco hatte die Gelegenheit, mit ihr zu sprechen und mehr über ihre Arbeit und ihre Karriere zu erfahren. Herausgegeben von Marina Pavido.

Marina Pavido: Wie kam es zur Idee, Feminism WTF zu drehen?

Katharina Mückstein: Ich habe vor dem Filmstudium Philosophie und Gender Studies studiert und ich habe mich immer weiter mit feministischer Theorie beschäftigt. Vor ein paar Jahren hatte ich ein Gespräch mit meiner Freundin Ina Freudenschuss, die damals noch als Journalistin gearbeitet hat, darüber, wie frustrierend das ist, dass eben, wenn feministische Themen im Mainstream überhaupt vorkommen, was ja sowieso schon selten ist, dass sie dann immer ohne Expertise verhandelt werden. Also, dass es immer so ist, wenn es um Feminismus geht, dann muss man nur eine Meinung haben, aber Wissen spielt keine Rolle. So ist irgendwie die Idee entstanden, einen Film zu machen, der dieses feministische Wissen sozusagen übersetzt, oder eine Brücke in den Mainstream schlägt.

M. P.: Hat sich deiner Meinung nach die Situation von Frauen in der Arbeitswelt oder in der Filmindustrie in den letzten 10 Jahren irgendwie verändert?

K. M.: Ich denke, die geschlechtsspezifische Situation von Menschen ändert sich die ganze Zeit. Auch die Idee davon, was eigentlich Geschlecht bedeutet, ändert sich ständig und in der Lebenspraxis bedeutet es wahrscheinlich für manche auch Fortschritte, aber für viele bedeutet es eben auch keinen Fortschritt. Ich denke man muss dann auch sehen, dass die Lebenserfahrungen von Frauen stark unterschiedlich sind. Man muss sehen, zum Beispiel, ob man eine reiche oder eine arme Frau ist, ob man eine weiße oder eine schwarze Frau ist, ob man eine Frau mit Migrationshintergrund ist. In Österreich ändert das natürlich auch sehr stark, wie sehr man von den Fortschritten im Bereich Geschlechtergerechtigkeit profitiert. Eine privilegierte Frau profitiert auf jeden Fall mehr von den politischen Fortschritten, die gemacht werden, und deshalb muss man gleichzeitig auch wieder fragen, ob diese Fortschritte wirklich Fortschritte sind.

M. P.: Wie ist es heute wichtig, mit Filmen Politik zu machen?

K. M.: Ich hatte immer die Sorge, dass vielleicht mein Film nicht mehr aktuell sein würde. Jetzt habe ich das Gefühl, auch mit dieser ganz starken Krisenhaftigkeit unserer Zeit, dass eben feministisches Wissen und überhaupt so progressive Ideen gerade extrem wichtig für unsere Gesellschaft sind, weil wir eben so tief in diesen Problemen drinstecken, die uns eben patriarchale Ideen und eine kapitalistische Ideologie gebracht haben. Die ganze Welt ist irgendwie zerfurcht von den Ergebnissen dieser Ideologie und es braucht unbedingt Gegenentwürfe. Ich denke der intersektionale Feminismus hat sehr, sehr viele Ideen, mit denen wir die aktuellen Probleme zumindest angehen könnten. Ich will nicht sagen, dass Feminismus alle Probleme sofort lösen kann. Wir müssen zuerst die Komplexität und die Ambivalenz der Dinge anerkennen und uns damit befassen.

M. P.: Was waren die Hauptschwierigkeiten bei der Produktion deines Films?

K. M.: Die größte Schwierigkeit war tatsächlich die Pandemie. Ich hatte den Film eben englischsprachig geplant und hatte schon mit Experts aus UK und den USA und Australien angefangen zu drehen. Und dann kam die Pandemie und es war irgendwie klar, dass wir den Film auf diese Weise nicht machen konnten. So haben wir dann beschlossen, zu versuchen, mit Expert:innen aus dem deutschsprachigen Raum zu drehen und für mich war es dann eigentlich ein ganz großes Glück im Unglück. Ich hab dann auch noch mal verstanden, dass es sehr wichtig ist, dass die feministische Debatte, die ja sehr stark aus dem angloamerikanischen Raum geprägt ist, auch in deutschsprachigen Ländern stattfinden kann. Themen wie Rassismus muss man also auch in Europa, in sogenannten „weißen Ländern“, wie zum Beispiel Österreich und Deutschland, diskutieren. Auch die Frage von Antisemitismus ist zum Beispiel in den Film hineingekommen und die Verbindung zwischen Antisemitismus und Feminismus ist etwas, was im amerikanischen Diskurs eher nicht vorkommt. Ich bin wirklich sehr froh, dass das passiert ist.

M. P.: In deinen Filmen hast du dich immer für Frauenfiguren interessiert, die besonders heikle Momente durchleben. Was haben alle diese Figuren gemeinsam?

K. M.: Ich glaube, dass, was mich so tief emotional berührt, ist eigentlich dieser Moment, der vielleicht kommt, kurz bevor man sich selbst ermächtigt, oder sich emanzipiert. Das ist der Moment, wo man Angst hat und gleichzeitig sich dieser Angst stellt. Der Mut, den man so tief in sich tragen muss, damit man sich frei von Zwängen machen kann. Das haben irgendwie alle Figuren, die mich interessieren.

M. P.: Du hast auch oft italienische Lieder in deinen Filmen benutzt. Warum diese besondere Entscheidung?

K. M.: Ja, ich habe eine große Vorliebe für Battiato, Battisti, ich liebe einfach das Gefühl von italienischen Cantautori. Was mir an Franco Battiato so gut gefällt, ist dass er so viele verschiedene Genres bedient hat. Man bemerkt, er war ein Mensch, der sich auch viel verändert hat. Und das ist eigentlich auch etwas, was ich mir für meine Arbeit so wünsche. Und gleichzeitig gibt es in Österreich und Deutschland so eine Italophilie, weil Italien irgendwie eine „Projektionsfläche“ für die Sehnsucht ist. Mir hat es auch gefallen, in meinen Filmen ein bisschen über die Musik, diesen Sehnsuchtsort aufzumachen und auch ein bisschen über die nordischen Menschen zu lachen (lacht). Wir können unsere Gefühle nicht ausdrücken, deshalb brauchen wir zum Beispiel die italienische Musik, um ein bisschen gefühlvoll zu werden, aber dann sind wir am Ende genauso steif und kalt wie davor.

M. P.: Du hast deine eigene Produktionsfirma gegründet. Ist es schwierig heutzutage in Österreich, so ein Projekt zu starten?

K. M.: La Banda Film haben wir 2014 gegründet. Und ich bin schon seit diesem Jahr keine Produzentin mehr, weil ich jetzt so viel Fernsehregie mache und so nicht so viele Zeit habe. Aber ich glaube es ist nach wie vor sehr schwierig in das Produktionsgeschäft einzusteigen, weil es einfach sehr wenig Absicherung gibt, weil es auch sehr lang dauert bis man eine finanzielle Unterstützung erhalten kann. Ich finde auch, dass es in Österreich viel zu wenig Produktionsnachwuchs gibt und in zwanzig Jahren könnte es ein Problem sein.

M. P.: Gibt es besondere Filme oder Regisseur:innen, die für deine Ausbildung besonders bedeutend gewesen sind?

K. M.: Als ich noch in der Schule war, habe ich Nordrand von Barbara Albert angesehen, und ich hatte irgendwie schon so eine Idee, dass es das Filmemachen auch als Beruf gibt. Ich habe halt gesehen, dass diese junge Frau irgendwie ein Arthouse-Kino macht und auch Preise gewinnt. Ich habe diesen Film im Kino angesehen, der Film hat mich total beeindruckt und ich habe gedacht: „Vielleicht kann ich das auch machen“. Und was mich auch sehr, sehr beeindruckt hat, waren die Filme von Claire Denis in den 90er Jahren. Die hab ich immer bei der Viennale angesehen. Beau Travail ist zum Beispiel einer meiner Lieblingsfilme und ich hab ihn jetzt vor kurzem wieder angesehen. Dieser Film ist immer noch so aktuell, mit diesem Blick auf Männlichkeit und seiner Ästhetik. Ihre Arbeit hat mich auch sehr stark geprägt und auch bei ihr finde ich es so beeindruckend, dass sie so viele verschiedene Genres bedient hat.

M. P.: Eine letzte Frage: Arbeitest du gerade an neuen Projekten?

K. M.: Ich habe in den letzten drei Jahren vier Fernsehfilme gemacht und dieses Jahr werde ich eben einen neuen Kino-Spielfilm schreiben. Ich freue mich schon sehr, wieder zu einer Kinoarbeit zurückzukommen und auch endlich wieder Zeit zu haben, zu schreiben. Gleichzeitig finde ich total spannend, dass man beim Fernsehen so viel in so kurzer Zeit drehen muss. Wenn man Arthouse-Kino macht, kommt man eben alle 5 Jahre dazu, einen Film zu drehen, weil man immer so lang an den Projekten arbeiten muss. Beim Fernsehen habe ich vier Mal 90 Minuten in zweieinhalb Jahren gedreht und es ist einfach toll, so eine große Dreherfahrung zu sammeln.

Info: Die Seite von Katharina Mückstein auf iMDb