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CLUB ZERO

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von Jessica Hausner

Note: 7

Club Zero ist ein gnadenlos aufrichtiger Spielfilm, rigoros in seiner Inszenierung, die ihre ideale Stimmung in einer klugen Ironie findet. Das hier gezeichnete Gesellschaftsbild hat die scharfen, lebendigen Farben einer Welt, in der keine halben Sachen erlaubt sind. Wie im Kino von Hausner, die seit Jahren jeden einzelnen Aspekt dieser Welt minutiös analysiert. Im Wettbewerb auf den Filmfestspielen von Cannes 2023.

Wir sind was wir (nicht) essen

Hohe Erwartungen bei den 76. Filmfestspielen von Cannes für Club Zero, das jüngste Werk der gefeierten Regisseurin Jessica Hausner, die dieses Jahr im Rennen um die begehrte Goldene Palme ist. Ja, denn die Wiener Filmemacherin ist mittlerweile Stammgästin in Cannes, wo sie praktisch alle ihre jüngsten Filme als Weltpremiere präsentiert hat. Während man sich also vor vier Jahren in Little Joe (für den die Protagonistin Emily Beecham als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde) gefragt hat, was aus der Gesellschaft werden würde, wenn man einen Weg finden würde, endlich für immer glücklich zu sein, so wird hier in Club Zero eine sorgfältige und gnadenlose gesellschaftliche Untersuchung durchgeführt, die ebenso aktuell wie satirisch und desillusioniert ist.

Alles beginnt also in einem renommierten Privatgymnasium. Miss Novak (gespielt von Mia Wasikowska), eine junge und dynamische Lehrerin, die gerade erst eingestellt wurde, hat die Aufgabe, den Schüler:innen beizubringen, wie man sich richtig ernähren sollte, um die Umwelt und die eigene Gesundheit zu schützen. Elsa, Ragna, Fred und Ben, vier Schüler:innen, kommen in ihre Klasse, jeder mit seiner eigenen Motivation. Während einige von ihnen sofort von dem, was ihnen beigebracht wird, begeistert sind, sind andere zunächst eher misstrauisch. Nach und nach nehmen die Dinge jedoch eine immer extremere und gefährlichere Wendung.

„Früher oder später werden wir alle davon überzeugen, dass das, was wir behaupten, wahr ist und dass es keines wissenschaftlichen Beweises mehr bedarf“. Wie oft haben wir, vor allem in den letzten Jahren, solche Aussagen gehört? Jessica Hausner nutzte die Gelegenheit und meldete sich mit Club Zero zu Wort, um jeden extremen Fanatismus anzuklagen. So wie sie es 2009 in Lourdes getan hatte, wo es ausschließlich um religiösen Fanatismus ging. In ihrem jüngsten Spielfilm wird der Diskurs jedoch viel breiter und wird durch die stets treffende Metapher des Essens zum Leben erweckt.

Die jungen Protagonist:innen sind alle vielversprechend und begabt, doch, natürlich, ist ihr Alter nicht einfach, und die Angst davor, unzulänglich zu sein, ist immer präsent. In ihrer scheinbar so lebensfrohen und hoffnungsvollen Welt herrschen prophetisch die Farben Gelb und Grün vor (und wieder einmal hat Kameramann Martin Gschlacht mit seinem meisterhaften Touch ins Schwarze getroffen). Gelb und Grün. Krankheit und Tod (egal in welchem Sinne man sie betrachten will). Krankheit des Körpers und des Geistes, Tod jedes autonomen Denkens. Wenn wir niemanden haben, der bereit ist, uns anzuleiten, fühlen wir uns verwirrt und wissen nicht mehr, wer wir sind. Die Musik, essentiell aber bedeutungsvoll, spricht Bände. Und in dem Moment, in dem die ganze Gruppe meditiert oder die Student:innen in der Kantine mit den Tabletts in der Hand auf die Tische zugehen, nimmt sie fast die Konnotationen eines Trauermarsches an.

Wenn wir uns nicht für eine (vorzugsweise extreme und gefährlich kontroverse) Sache einsetzen, könnten wir niemals akzeptiert werden. Und wir würden unweigerlich allein enden. Und ist es nicht das, was die Gesellschaft, in der wir leben, geworden ist? Während die Schüler:innen anfangs so unsicher über ihren Lebensweg wirken, wirkt Miss Novak im Gegensatz dazu sofort entschlossen und charismatisch, von allen bewundert, wenn wir sie in Zeitlupe sehen, wie sie die Schule verlässt. Doch auch sie ist im Grunde eine einsame Frau, die in ihren Schüler:innen die einzigen wahren Freund:innen gefunden hat. „Wenn ich nicht mehr Miss Novak sein kann, wer könnte ich dann sein?“. Die Schwäche ihrer Theorien wird von den „Erwachsenen“ erst in dem Moment angegriffen, als man über einen möglichen Sex-Skandal zu sprechen beginnt. Unabhängig davon, was schon seit einiger Zeit passiert war.

Club Zero ist in diesem Sinne ein gnadenlos aufrichtiger Spielfilm, rigoros in seiner perfekten Inszenierung, die ihre ideale Stimmung in einer scharfen Ironie findet. Jessica Hausner weiß genau, worauf sie hinaus will. Und sie tut dies auf eine brutale, direkte, wenn auch, in diesem Fall, vor allem, wenn wir uns dem Ende nähern, etwas übertrieben iterative Weise. In jedem Fall hat das hier gezeichnete Gesellschaftsbild die scharfen, lebendigen Farben einer Welt, in der keine halben Sachen erlaubt sind. Wie im Kino von Hausner, die seit Jahren jeden einzelnen Aspekt dieser Welt minutiös analysiert.

Titel: Club Zero
Regie: Jessica Hausner
Land/Jahr: Österreich, Vereinigtes Königreich, Deutschland, Frankreich, Dänemark / 2023
Laufzeit: 110’
Genre: Drama, Thriller, Satire-Film
Cast: Mia Wasikowska, Sidse Babett Knudsen, Sam Hoare, Amanda Lawrence, Elsa Zylberstein, Amir El-Masry, Camilla Rutherford, Keeley Forsyth, Mathieu Demy, Florence Baker, Szandra Asztalos, Isabel Lamers, Mike Ray, Lukas Turtur, Gwen Currant, Ksenia Devriendt, Luke Barker, Rebecca Crankshaw, Sade McNichols-Thomas, Laoisha O’Callaghan, Samuel D Anderson
Buch: Jessica Hausner, Géraldine Bajard
Kamera: Martin Gschlacht
Produktion: Coop99 Filmproduktion, Coproduction Office, Arte

Info: Die Seite von Club Zero auf iMDb; Die Seite von Club Zero auf der Webseite der Filmfestspiele von Cannes; Die Seite von Club Zero auf der Webseite der Austrian Film Commission; Die Seite von Club Zero auf der Webseite des Österreichischen Filminstituts; Die Kritik von Club Zero auf Raccontardicinema.it