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PARADIES: LIEBE

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von Ulrich Seidl

Note: 8

n Paradies: Liebe finden wir alle Konstanten des Kinos von Ulrich Seidl in einem zutiefst intelligenten, schmerzhaften und gnadenlosen Werk. Der Zynismus und die Heuchelei der Menschen, die Unterschiede zwischen den Gesellschaftsschichten, aber auch – und vor allem – eine tiefe Einsamkeit und ein verzweifeltes Bedürfnis nach Liebe sind die absoluten Protagonisten. Kann es jemals eine auch nur geringe Chance auf Erlösung geben? Daran scheint der Regisseur nicht zu zweifeln.

Hakuna Matata

Die Paradies-Trilogie ist nach Hundstage (2001) das wohl bekannteste Werk von Ulrich Seidl im Ausland. Bestehend aus den Filmen Paradies: Liebe (2012), Paradies: Glaube (2012) und Paradies: Hoffnung (2013), sollte sie ursprünglich als ein einziger Film präsentiert werden und erst später entschied sich Seidl, drei Filme daraus zu machen. So wie es kürzlich bei Rimini und Sparta (2022) der Fall war, die später in dem Spielfilm Böse Spiele Rimini Sparta (2023) wieder vereint wurden.

Auch in dieser Trilogie sehen wir also, wie einige der in der Gesellschaft, in der wir leben, besonders verwurzelten Gewohnheiten in all ihren kontroversen Aspekten vor der Kamera dargestellt und von Seidl mit einem kritischen, aber auch, je nach Anlass, besonders mitfühlenden Blick (vor allem in Bezug auf die Momente der Krise, die die Figuren erleben) beobachtet werden.

In Paradies: Liebe lernen wir also zunächst alle drei ProtagonistInnen der Trilogie kennen. Teresa (gespielt von Margarethe Tiesel) ist eine Frau mittleren Alters, die als Betreuerin für einige behinderte Menschen arbeitet. Eines Tages begleitet die Frau ihre Tochter (Melanie Lenz, Protagonistin von Paradies: Hoffnung) zu einer Verwandten (Maria Hofstätter, Protagonistin von Paradies: Glaube), da sie zu einem Urlaub nach Kenia in ein Luxusresort aufbrechen will. Dort trifft sie auf zahlreiche andere Touristinnen wie sie aus Österreich sowie auf zahlreiche Einheimische, die ständig versuchen, ihr selbst hergestellte Waren zu verkaufen, und die gegen Geld auch bereit sind, sich zu prostituieren. Nach dem Treffen mit Munga (Peter Kazungu), der anfangs wirklich an ihr interessiert zu sein scheint, glaubt Teresa, endlich die große Liebe gefunden zu haben.

Paradies: Liebe ist also eine wahrheitsgetreue und desillusionierte Darstellung einer Realität, die sich seit vielen Jahren durchgesetzt hat. Der Wunsch, etwas Außergewöhnliches zu erleben, aber auch die Beobachtung mit einem falsch mitfühlenden Blick auf „ferne“ Kulturen und Völker führen unweigerlich dazu, Menschen als Sexualobjekte oder malerische Figuren zu betrachten, die kaum unsere Sprache sprechen (besonders treffend, in dieser Hinsicht die Szenen, in denen die Protagonistin zusammen mit einer Freundin über den Akzent lacht, mit dem ein Barkeeper bestimmte Sätze auf Deutsch ausspricht, oder wenn auf Teresas Geburtstagsparty ihre Freundinnen einen jungen Kenianer in ihr Zimmer bringen mit der Absicht, aus ihm eine Art Sexspielzeug zu machen).

Helle Farben und Pastelltöne zeigen uns wahre Paradiese auf Erden, in denen zunächst alles in Ordnung zu sein scheint. „Hakuna Matata“. Kein Problem, alles in Ordnung, wiederholen die Angestellten des Hotels, in dem Teresa untergebracht ist, immer wieder. Doch neben so viel Luxus, in schäbiger und beengter Räume (ausschließlich durch meist starre Aufnahmen dargestellt, vor allem in den Innenszenen), fällt uns sofort die dramatische Armut auf, in der die Einheimischen leben. In Paradies: Liebe spielt Geld eine zentrale Rolle, aber während es für die einen einfach zum Überleben dient, ist es für andere ein Mittel, um sogar Liebe zu kaufen.

Teresa ist im Grunde eine einsame Frau. Ihre Tochter ruft sie nie an und scheint sogar ihren Geburtstag vergessen zu haben. Und während sich ihre Party gelinde gesagt als Misserfolg erweist, bleibt ihr nur ein einsamer Spaziergang am Strand (während gleichzeitig einige Jungen weiter tanzen und Purzelbäume schlagen, um die Touristen zu unterhalten), in dem traurigen Bewusstsein, dass sie hoffnungslos allein ist. In Paradies: Liebe finden wir also alle Konstanten des Kinos von Ulrich Seidl in einem zutiefst intelligenten, schmerzhaften und gnadenlosen Werk. Der Zynismus und die Heuchelei der Menschen, die Unterschiede zwischen den Gesellschaftsschichten, aber auch – und vor allem – eine tiefe Einsamkeit und ein verzweifeltes Bedürfnis nach Liebe sind die absoluten Protagonisten. Kann es jemals eine auch nur geringe Chance auf Erlösung geben? Daran scheint der Regisseur nicht zu zweifeln.

Titel: Paradies: Liebe
Regie: Ulrich Seidl
Land/Jahr: Österreich, Deutschland, Frankreich / 2012
Laufzeit: 120’
Genre: Drama
Cast: Margarethe Tiesel, Peter Kazungu, Inge Maux, Dunja Sowinetz, Helen Brugat, Gabriel Mwarua, Josphat Hamisi, Carlos Mkutano, Melanie Lenz, Maria Hofstätter, Leonora Migide, Anderson Mutisya
Buch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Kamera: Edward Lachmann, Wolfgang Thaler
Produktion: Ulrich Seidl Filmproduktion, Tatfilm, Coproduction Office

Info: Die Seite von Paradies: Liebe auf iMDb; Die Seite von Paradies: Liebe auf der Webseite der Ulrich Seidl Filmproduktion; Die Seite von Paradies: Liebe auf der Webseite des Österreichischen Instituts