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von Kurdwin Ayub
Note: 7.5
Wunderland ist eine bittere und zärtliche Geschichte zugleich. Ein kleiner, aufrichtiger Film, der uns mit entwaffnendem Realismus die erste, wichtige Begegnung mit der Welt um uns herum und ihren Schwierigkeiten zeigt. Träume sind der Spiegel unserer Ängste. Aber vielleicht kann die Liebe der Eltern uns alles vergessen lassen, wenn auch nur für einen Moment.
Wo alles rosa ist
Im Rahmen der Diagonale’23 fehlte es nicht an Ausstellungen, Installationen und interessanten Rahmenveranstaltungen, die es uns ermöglichten, bestimmte Themen und Filmografien zu vertiefen und wichtige Künstler:innen und Autor:innen besser kennenzulernen, die in der nationalen Filmszene von großer Bedeutung waren und sind. Besonders erwähnenswert war in diesem Zusammenhang die Vorführung von Wunderland, dem jüngsten Werk der vielseitigen Regisseurin Kurdwin Ayub, das in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus Graz realisiert wurde, und das in einem Zelt, einer speziellen „Höhle“, im Foyer des Annenhofkinos gezeigt wurde. Es handelt sich um einen VR-Film, der mit einer 360°-Kamera gedreht wurde und uns die Möglichkeit gibt, „wieder ein Kind zu sein“ und die Realität um uns herum durch die Augen eines Kindes zu betrachten.
In Wunderland entwickelt sich also alles um die Protagonistin (und damit auch um uns). Sie lebt bei ihren Eltern (Maresi Riegner und Valentin Postlmayr). Die beiden sind sehr junge Künstler:innen, und während die Mutter in ihrer Arbeit endlich recht erfolgreich zu sein scheint, muss der Vater eine Pause einlegen, um sich um das Kind kümmern zu können. Das junge Paar ist nicht glücklich. Und während diese Spannung sofort spürbar ist, wirken die Wohnung und das Schlafzimmer der Protagonistin (sowie die für diesen Anlass eingerichtete Höhle im Projektionszelt) eher gemütlich, voller Spielzeug und mit verschiedenen Schattierungen von Rosa, die fast die Hauptrolle spielen.
Solche Schauplätze – wie auch ein kleiner Stadtpark – bilden in Wunderland einen wirkungsvollen Kontrapunkt zu dem, was inszeniert wird. Das Drama des Paares wird vom Kind sofort wahrgenommen und verwandelt sich bald in einen echten nächtlichen Alptraum (gekonnt dargestellt mit zweidimensionalen Zeichnungen). Wenn die Nacht zu schrecklich ist, kann man sich immer in das Bett der Eltern flüchten. Und so kann man, wenn auch nur für eine Nacht, endlich glauben, dass alles in Ordnung ist.
Schon zu Beginn ihrer Karriere zeigte Kurdwin Ayub eine ausgeprägte Experimentierfreudigkeit, indem sie gekonnt puren Realismus mit den leuchtenden, pop-artigen Farben der Welt der Jugendlichen und der sozialen Netzwerke kombinierte. Und nachdem sie sich mit Sonne, ihrem Spielfilmdebüt, das auf der Berlinale 2022 seine Weltpremiere feierte (und mit dem Preis für den besten Erstlingsfilm ausgezeichnet wurde) und auch der Eröffnungsfilm der Diagonale’22war, endgültig international etabliert hat, lässt sie nun etwas völlig Neues entstehen, indem sie sich zum ersten Mal der Welt der Virtual Reality nähert. Und so möchten wir sofort herausfinden, welche Überraschungen sie uns in Zukunft noch bieten wird.
Wunderland ist eine bittere und zärtliche Geschichte zugleich. Ein kleiner, aufrichtiger Film, der uns mit entwaffnendem Realismus die erste, wichtige Begegnung mit der Welt um uns herum und ihren Schwierigkeiten zeigt. Träume sind der Spiegel unserer Ängste. Aber vielleicht kann die Liebe der Eltern uns alles vergessen lassen, wenn auch nur für einen Moment.
Titel: Wunderland
Regie: Kurdwin Ayub
Land/Jahr: Österreich / 2023
Laufzeit: 15’
Genre: Drama, Animationsfilm, VR
Cast: Maresi Riegner, Valentin Postlmayr, Katharina Farnleitner
Buch: Kurdwin Ayub
Kamera: Markus Zizenbacher
Produktion: Schauspielhaus Graz