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von Achmed Abdel-Salam
Note: 7
Heimsuchung hat nichts von vergangenen Horrorfilmen zu beneiden, und während er Visionen, Halluzinationen und Wahrnehmungen zu seinem Arbeitspferd macht, konzentriert er sich vor allem auf das persönliche Drama der Protagonistin und klassifiziert sich selbst als einen tiefgründigen und niemals banalen Spielfilm über Elternschaft. Auf der Diagonale’23.
Die Vergangenheit kehrt wieder
Die Vergangenheit macht sich in der Gegenwart oft stärker denn je bemerkbar. Das ist etwas, das uns sehr wohl bewusst ist und das auch im Kino immer wieder untersucht wurde. Das weiß auch der Regisseur Achmed Abdel-Salam, der mit seinem auf der Diagonale’23 uraufgeführten Spielfilm Heimsuchung gezeigt hat, dass unsere Eltern und unsere vergangenen Erlebnisse auch für unseren Alltag wichtige Konsequenzen haben können.
Heimsuchung ist also die Geschichte von Michaela (gespielt von Cornelia Ivancan), einer ehemaligen Alkoholikerin, die wegen ihres Problems sogar fast ihre Tochter Hanna bei einem Autounfall getötet hätte. Das Kind seinerseits kann seiner Mutter nach diesem Vorfall nicht mehr vollständig vertrauen. Als sie zusammen mit ihrem Mann (Lukas Turtur) und ihrer Tochter anlässlich der Beerdigung ihres Vaters in das Dorf ihrer Eltern zurückkehrt, hat sie endlich die Möglichkeit, einige Tage allein mit Hanna zu verbringen und zu versuchen, ihre Beziehung zu verbessern. Doch gleichzeitig ereignen sich seltsame Vorfälle, die die Ruhe der beiden bedrohen.
Eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung. Eine psychische Krankheit, die einen die Kontrolle über jede Situation verlieren macht. Ein Landhaus, das völlig isoliert vom Rest der Welt zu sein scheint. Riesige Weizenfelder, in denen man sich sehr leicht verlaufen kann. Alte Zeichnungen, die auf wichtige vergangene Schocks hinweisen. In zwei Hälften gerissene Fotografien, auf denen wichtige Personen fehlen. In Heimsuchung setzt Achmed Abdel-Salam all diese Elemente gekonnt ein, spielt mit den Empfindungen und Wahrnehmungen des Zuschauers und lässt sich von den bisherigen Werken des Horrorgenres inspirieren, während er seinem Spielfilm gleichzeitig eine eigene Persönlichkeit gibt.
Michaela scheint ständig den Verstand zu verlieren. Ihre Tochter beginnt zwar, ihrer Mutter wieder zu vertrauen, hat aber gleichzeitig fast Angst vor ihr, wenn sie die Frau in der Krise sieht. Und so entwickelt der Regisseur diese komplexe und heikle Beziehung zwischen den beiden Protagonistinnen auf eine Weise, die niemals vorhersehbar oder banal ist, in einem Spielfilm, in dem Gegenstände oft mehr sagen als tausend Worte, in dem Geräusche – wahrgenommen bei Nacht, in einem dunklen Haus – eine ebenso zentrale Rolle spielen, in dem die Einflüsse des expressionistischen Films, aber auch die von zeitgenössischen Autor:innen, die inzwischen in der ganzen Welt großen Erfolg hatten, stark zu spüren sind (das Haus der beiden Protagonistinnen und die Schauplätze erinnern zum Beispiel an den hervorragenden Film Ich seh Ich seh von Veronika Franz und Severin Fiala aus dem Jahr 2014).
Auf jeden Fall muss Heimsuchung nichts von dem, was in der Vergangenheit gemacht wurde, beneiden, und obwohl er Visionen, Halluzinationen und Wahrnehmungen zu seinem Arbeitspferd macht, konzentriert er sich hauptsächlich auf das persönliche Drama der Protagonistin und klassifiziert sich selbst als einen tiefgründigen und niemals banalen Spielfilm über Elternschaft, über die Schwierigkeit, alte Wunden zu heilen, und über die Bedeutung der Erinnerung. Einen willkommenen Mehrwert bieten darüber hinaus die wie immer hervorragenden Leistungen von Inge Maux und Heinz Trixner in den Rollen zweier Nachbar:innen.
Titel: Heimsuchung
Regie: Achmed Abdel-Salam
Land/Jahr: Österreich / 2023
Laufzeit: 90’
Genre: Horrorfilm
Cast: Cornelia Ivancan, Lola Herbst, Lukas Turtur, Heinz Trixner, Inge Maux, Franziska Rieck, Gisela Salcher, Christoph F. Krutzler, Iva Höpperger, Gerald Walsberger, Tina Haller, Christian Dungl, Felix Stichmann
Buch: Achmed Abdel-Salam
Kamera: Alexander Dirninger
Produktion: Glitter and Doom, Prisma Film- und Fernsehproduktion GmbH