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von Ludwig Wüst
Note: 8
Vollständig auf 16mm gedreht, ist I am here! eine schwierige, oft schmerzhafte, aber auch zärtlich nostalgische Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart im Hinblick auf eine neue Zukunft. Ein scheinbar essentieller Spielfilm, der aber in Wirklichkeit viel komplexer und vielschichtiger ist, als er auf den ersten Blick wirkt. Auf der Diagonale’23.
Eine langjährige Freundschaft
Zwei Personen, ein Wald, viele Erinnerungen. Alte Wunden heilen, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich der vielseitige Filmemacher Ludwig Wüst mit solchen (komplexen) Themen beschäftigt. Man denke etwa an den hervorragenden Das Haus meines Vaters (2012), Aufbruch (2018) oder den jüngsten 3.30PM (2020), um nur einige Beispiele zu nennen. Und so sehen wir in I am here!, der auf der Diagonale’23 (wo er mit dem Kodak Analog Film Preis ausgezeichnet wurde) uraufgeführt wurde, wie bestimmte Themen ihre (endgültige?) Erfüllung in einem kleinen, aber wertvollen und äußerst eleganten Spielfilm, in dem sich – wie immer in den Werken des Regisseurs – Realismus und Minimalismus als die richtigen Lösungen für die Inszenierung der Geschichten der Protagonisten erweisen, finden.
Monika (gespielt von Martina Spitzer) und Martin (Markus Schramm) sind zwei Jugendfreund:innen, die sich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen haben. Eines Tages treffen sich die beiden in einem Wald. In einem Wald, der in der Vergangenheit eine große Bedeutung für sie hatte und der noch immer wichtige Geheimnisse birgt. Die beiden Protagonist:innen erzählen sich von ihren vergangenen Jahren, sprechen über ihre Kindheit, ihre Mütter, was ihnen am meisten Angst vor der Zukunft macht und ganz allgemein über ihre Schwächen. In I am here! wirken sie daher beide sofort sehr lebendig, verwundbar und stark zugleich.
Vollständig auf 16mm gedreht, ist I am here! eine schwierige, oft schmerzhafte, aber auch zärtlich nostalgische Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart im Hinblick auf eine neue Zukunft. Ein scheinbar essentieller Spielfilm, der aber in Wirklichkeit viel komplexer und vielschichtiger ist, als er auf den ersten Blick wirkt. Ludwig Wüst hat uns wieder einmal unsterbliche Bilder von zeitlosen Orten geschenkt, oder besser gesagt, von Orten, an denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Die Vergangenheit ist nie vergessen worden und muss nun dringend aufgearbeitet werden.
Auch in I am here! sehen wir also, wie die beiden Protagonist:innen die wichtigsten Momente ihres Lebens nochmals durchleben. Verzweifelte Tränen, zärtliche Kindheitserinnerungen, alte Fotos, Geheimnisse, aber auch plötzliche, unerwartete Schüsse. Der Wald, Symbol des Unbewussten, aber auch Hüter jedes brennenden Geheimnisses, wird hier als echter Co-Star behandelt. Die Schauspieler:innen Martina Spitzer und Markus Schramm bieten eine außergewöhnliche, nie übertriebene Leistung und erwecken zwei komplexe und vielschichtige Charaktere zum Leben, die auf der Leinwand erwachsen werden, sich kennen lernen und auf ganz natürliche Weise wieder zu Kindern werden. Ludwig Wüst hat wieder einmal ein kleines Juwel des zeitgenössischen österreichischen (und des Welt-) Films geschaffen. Ganz im Sinne seiner Filmografie greift I am here! bestimmte Themen auf, die dem Autor besonders am Herzen liegen, zeichnet sich aber gleichzeitig durch eine eigene, ausgeprägte Persönlichkeit aus, der eine starke Lyrik die perfekte Krönung ist.
Titel: I am here!
Regie: Ludwig Wüst
Land/Jahr: Österreich / 2023
Laufzeit: 72’
Genre: Drama
Cast: Martina Spitzer, Markus Schramm
Buch: Ludwig Wüst
Kamera: Klemens Koscher
Produktion: film-pla.net