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von Ulrich Seidl
Note: 8
Böse Spiele Rimini Sparta wird durch die Geschichte dreier Menschen sofort zu einem Bild der Zeit, in der wir leben, einer kranken Welt, in der jeder hoffnungslos allein und dazu bestimmt zu sein scheint, niemals die ersehnte Ruhe zu finden. Auf der Diagonale’23.
Drei Geschichten
Der Spielfilm Böse Spiele Rimini Sparta – der auf dem Rotterdam Film Festival 2023 Weltpremiere hatte und danach im Programm der Diagonale’23 präsentiert wurde – hat eine ganz besondere Entstehungsgeschichte. Der Regisseur Ulrich Seidl hat dieses wichtige Projekt vor sechs Jahren begonnen. Ursprünglich wollte er einen Film über die Geschichte von drei Männern und ebenso vielen Generationen, der uns zeigt, wie wichtige Fehler aus der Vergangenheit das Leben von Menschen für immer verändern können, drehen. Aus diesem anfänglichen Projekt (das zunächst nur den Titel Böse Spielehatte) entstanden in der Folge zwei Filme, Rimini und Sparta, in deren Mittelpunkt die Geschichte zweier Brüder steht, die heute weit weg von ihrer Heimatstadt leben, aber nach wie vor untrennbar mit ihrem alten Vater (Hans Michael Rehberg, hier in seinem letzten Kinoauftritt), der in einem Altersheim lebt und an Demenz erkrankt ist, verbunden sind.
Rimini – als Weltpremiere im Wettbewerb der Berlinale 2022 präsentiert – erzählt die Geschichte des Sängers Richie Bravo (gespielt von Michael Thomas), der in Rimini lebt, früher sehr erfolgreich war, heute aber nur noch vor einem Publikum älterer Touristen auftritt und sich von Zeit zu Zeit prostituieren und seine Villa vermieten muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. So gerät er in große Schwierigkeiten, als seine Tochter, die er als Kind verlassen hat, ihn besucht und um Geld bittet.
Sparta hingegen stellt die Geschichte von Richies Bruder, Ewald (gespielt von Georg Friedrich), in den Mittelpunkt und hat aufgrund der heiklen Themen, die darin behandelt werden, zahlreiche Kontroversen ausgelöst. Ewald lebt in Rumänien, wo er als Industrietechniker arbeitet und eine Freundin hat. Allmählich gewinnen jedoch einige seiner Triebe die Oberhand, so dass er seinen Job und seine Freundin verlassen und ins Hinterland, ziehen muss. Hier eröffnet er eine Judoschule, um den dortigen Kindern nahe zu sein und zu versuchen, seine Neigung zur Pädophilie zu stillen, wenn auch nur in seiner Vorstellung.
Böse Spiele Rimini Sparta ist also ein monumentales Gesamtwerk, das beide Filme umfasst und gleichzeitig ein gnadenloses Porträt der Welt, in der wir leben, zeichnet. Eine Welt, in der niemand wirklich unschuldig ist, in der jeder gleichzeitig Opfer und Henker ist, in der die Vergangenheit ihre traurige Fortsetzung auch in der Gegenwart findet, in der es keine Hoffnung auf Erlösung gibt.
Um Rimini und Sparta in einem einzigen Spielfilm zu vereinen, wurde der Schnitt daher erneut Monika Willi (die kürzlich für einen Oscar für den Besten Schnitt für Todd Fields Tár nominiert wurde) anvertraut und zeigt uns die Geschicke der beiden Brüder (für die ihr Vater als Trait d’Union fungiert) zunächst abwechselnd (vor allem was die im Winter gedrehten Szenen betrifft), um sich dann mehr und mehr auf Ewalds Erlebnisse zu konzentrieren. Und so zeigt sich in Böse Spiele Rimini Sparta, dass die beiden viel mehr gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick scheint: Eine schwierige Kindheit, die wahrscheinlich zu früh beendet wurde, und der Wunsch, weit weg zu fliehen, um anderswo Glück oder zumindest Erlösung zu finden.
Ulrich Seidls durchdachte und präzise Regie zeigt uns ihre Geschichten auf einfühlsame, nie banale, aber auch extrem pessimistische und desillusionierte Weise und sorgt dafür, dass sogar die Schauplätze – oft kalt und entfremdend – eine wesentliche Rolle spielen. Und so wird Böse Spiele Rimini Sparta durch die Geschichte dreier Menschen sofort zu einem Bild der Zeit, in der wir leben, einer kranken Welt, in der jeder hoffnungslos allein und dazu bestimmt zu sein scheint, niemals die ersehnte Ruhe zu finden. Eine Welt, in der Scheitern bedeutet, sich für immer zu verlieren, in der die Vergangenheit lebendiger denn je ist, in der alte Lieder aus dramatischen Zeiten noch in den schäbigen Gängen eines Altersheims erklingen.
Titel: Böse Spiele Rimini Sparta
Regie: Ulrich Seidl
Land/Jahr: Österreich, Frankreich, Deutschland / 2023
Laufzeit: 203’
Genre: Drama
Cast: Hans-Michael Rehberg, Michael Thomas, Georg Friedrich, Tessa Göttlicher, Claudia Martini, Inge Maux, Florentina Elena Pop, Octavian-Nicolae Cocis, Marius Ignat
Buch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Kamera: Wolfgang Thaler, Serafin Spitzer
Produktion: Ulrich Seidl Filmproduktion, Essential Films, Parisienne de Production, Arte France Cinéma