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von Johannes Grenzfurthner
Note: 8
Razzennest ist ein wahres visuelles und auditives Erlebnis. Eine bizarre, urkomische und adrenalingeladene Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart, oder besser noch, in eine Gegenwart, in der die Vergangenheit stets bereit ist, grausamer und gnadenloser denn je zurückzukehren. Auf der Diagonale’23.
Vergangenheit. Gegenwart. Kino.
Wenn man sich einen Film von Johannes Grenzfurthner anschaut, weiß man nie, was einen erwartet. Ja, denn der Regisseur, der schon immer gerne mit neuen Filmsprachen experimentiert hat, hat uns im Laufe der Jahre wahre Perlen des Horrorgenres geschenkt, völlig verstörende und innovative Filme, die auch durch einen willkommenen schwarzen Humor bereichert werden. Dies war zum Beispiel bei dem kürzlich erschienenen Masking Threshold (2021) der Fall, ebenso wie bei Razzennest aus dem Jahr 2022, der im Rahmen des Programms der Diagonale’23 präsentiert wurde.
Razzennest ist also ein wahres visuelles und auditives Erlebnis. Eine bizarre und adrenalingeladene Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart, oder, besser gesagt, in eine Gegenwart, in der die Vergangenheit stets bereit ist, grausamer und gnadenloser denn je zurückzukehren. Alles beginnt mit suggestiven und scheinbar unverbundenen Bildern. Die Stimme von Babette, einer Filmkritikerin, stellt mit Begeisterung den Regisseur Manus vor, der dem Publikum seinen jüngsten Spielfilm, Razzennest, präsentieren will. Die Dialoge der beiden, zu denen sich bald auch der Kameramann und die Produzentin gesellen, begleiten uns durch den gesamten Film.
„Warum soll ich dem Publikum meinen Film erklären? Mein Film besteht einfach aus den Bildern, die man auf der Leinwand sieht“, sagt Manus zu Beginn des Interviews. Die Filmkritikerin wirkt sofort sehr oberflächlich und mit wenig Wissen über das Thema. Der Regisseur seinerseits ist eher hochnäsig und arrogant. Und so beginnt das Ganze mit dieser scharfen Satire auf die Filmindustrie, die bis in den Dreißigjährigen Krieg, zu den Löchern in Niederösterreich, in denen sich einige Familien versteckt haben, und in unsere dramatische Gegenwart zurückreicht.
Gleichzeitig machen zahlreiche Verweise auf die Filmgeschichte selbst, auf Werner Herzog, Terrence Malick und sogar die kurze Beteiligung von Joe Dante (ausschließlich als Voice-Over) Razzennest noch komplexer und vielschichtiger. Johannes Grenzfurthner hat keine Angst, sich zu trauen, zu übertreiben. Im Gegenteil, er genießt es, mit dem Zuschauer und seiner Wahrnehmung zu spielen, wohl wissend, dass – wie wir im Laufe der Jahre immer wieder gesehen haben – das, wovor man sich am meisten fürchtet, in Wirklichkeit das, was man nicht sieht, ist.
Razzennest lässt sich leicht mit einer Achterbahnfahrt vergleichen. Eine intelligente und nie triviale Satire auf die Kunstwelt, aber auch ein gnadenloses Porträt der Welt, in der wir leben. Als der Kameramann anfängt, sich ununterbrochen zu übergeben, beginnt ein wahres Crescendo. Von diesem Moment an überwiegt der Schrecken jede andere Emotion, die Bilder auf der Leinwand wirken lebendiger und pulsierender denn je und wir selbst haben den Eindruck, unwiederbringlich an Kontrolle über alles zu verlieren. Johannes Grenzfurthner hat es wieder einmal geschafft, uns zu überraschen. Sein Razzennest ist ein einzigartiger Film, extrem fein und bis ins kleinste Detail durchdacht. Eine Erfahrung, die es absolut wert ist, in vollen Zügen genossen zu werden.
Titel: Razzennest
Regie: Johannes Grenzfurthner
Land/Jahr: Österreich / 2022
Laufzeit: 81’
Genre: Filmkomödie, Satire-Film, Horrorfilm
Cast: Sophie Kathleen Kozeluh, Michael Smulik, Anne Weiner, Roland Gratzer, Jim Libby, Bob Rose, Joe Dante
Buch: Johannes Grenzfurthner
Kamera: Florian Hofer, Philine Hofmann, Ronald von den Sternen
Produktion: monochrom