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MENUETT

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von Hans Broich

Note: 7.5

Menuett ist ein Film, der nie vorhersehbar oder banal ist und dem Zuschauer maximale Interpretationsfreiheit lässt. Und indem er Themen behandelt, die immer aktuell sind, nimmt er sofort universelle Konnotationen an, während er sich gleichzeitig durch seine einzigartige und äußerst elegante Inszenierung auszeichnet. Auf der Diagonale’23.

Drei Geschichten, eine Geschichte

Dreiecksbeziehungen haben sowohl im Film als auch in der Literatur aufgrund ihrer vielen Facetten und möglichen Implikationen schon immer eine große Zahl von Lesern oder Zuschauern fasziniert. Es wäre jedoch reduktiv, einen Spielfilm wie Menuett (von dem jungen Hans Broich inszeniert und im Rahmen der Diagonale’23 präsentiert) als die Geschichte einer „einfachen“ Dreiecksbeziehung zu klassifizieren. Ja, denn dieser kleine und feine Spielfilm – nach dem gleichnamigen Roman von Louis Paul Boon – ist in Wirklichkeit viel mehr. Und durch seine einzigartige, hier bis ins kleinste Detail durchdachte Inszenierung erweist er sich als viel komplexer und vielschichtiger, als es zunächst scheinen mag.

Die inszenierte Geschichte spielt im heutigen Berlin. Ein Paar lebt in einer großen Wohnung. Bei ihnen wohnt ein junges Dienstmädchen, das die Entwicklung ihrer Beziehung jeden Tag stillschweigend beobachtet. Der Mann arbeitet acht Stunden am Tag in einem kalten Raum. Man könnte sogar denken, dass seine Gefühle aufgrund seiner Arbeit mehr und mehr „einfrieren“. Seine Frau, eine sehr religiöse Frau mit einem scheinbar oberflächlichen und fröhlichen Charakter, wird bald Mutter und erinnert sich in der Zwischenzeit daran, wie ihre Liebesbeziehung mit ihrem Mann begann und wie sie sich im Laufe der Jahre verändert hat. Gleichzeitig agiert das Dienstmädchen zunehmend als eine Art postmoderne „Lolita“, die das bereits bestehende, prekäre Gleichgewicht zu stören droht.

Menuett erzählt uns also nicht nur eine, sondern drei Geschichten. Oder besser gesagt, dieselbe Geschichte aus drei verschiedenen Perspektiven. Die Worte und Gedanken der Protagonisten folgen nacheinander, während die Bilder uns gleichzeitig sie selbst bei ihren täglichen Aktivitäten zeigen. Und so entfaltet sich dieses interessante Menuett auf zwei verschiedenen Ebenen und zeichnet ein umfassendes Porträt der Welt, in der wir leben, wie sie geworden ist, der komplexen zwischenmenschlichen Beziehungen und wie sie durch eine ständige, gefährliche Unkommunizierbarkeit zu enden drohen.

Die Kamera von Hans Broich bewegt sich geschickt durch die Räume der Wohnung. Die Frau des Mannes ist damit beschäftigt, die Kleidung für die baldige Geburt ihres Kindes vorzubereiten. Wird die Geburt des Kindes dem Paar jemals zu einer gewissen Harmonie verhelfen, oder dient dieses Ereignis nur dazu, einen leeren Alltag zu „füllen“? Während wir von Zeit zu Zeit die Stimme eines der Protagonist:innen aus dem Off hören, mischen sich die Stimmen der beiden anderen Figuren im Hintergrund und erzeugen ein chaotisches Stimmengewirr, das die Idee einer Welt, in der wir nicht mehr aufeinander hören, in der wir immer individualistischer werden, in der wir nicht mehr bereit sind, uns mit denen, die für uns wichtig sind, zu identifizieren, perfekt wiedergibt. Menuett inszeniert all dies auf eine Art und Weise, die niemals vorhersehbar oder banal ist und dem Zuschauer maximale Interpretationsfreiheit lässt. Und da es sich um Themen handelt, die immer aktuell sind, erhält es sofort universelle Konnotationen, während es sich gleichzeitig durch eine einzigartige und äußerst elegante Inszenierung auszeichnet. Eine Inszenierung, die das außergewöhnliche Talent von Hans Broich zeigt und die in Form eines vielschichtigen Bewusstseinsstroms ihre perfekte Erfüllung findet.

Titel: Menuett
Regie: Hans Broich
Land/Jahr: Österreich, Deutschland / 2023
Laufzeit: 71’
Genre: Drama
Cast: Charlotte Brandhorst, Josefin Fischer, Maximilian Brauer
Buch: Hans Broich
Kamera: Sarah May Handler
Produktion: Superzoom Film

Info: Die Seite von Menuett auf der Webseite der Diagonale; Die Seite von Menuett auf iMDb; Die Seite von Menuett auf der Webseite der Filmakademie Wien