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von Nikolaus Leytner
Note: 6
Der Trafikant ist zweifellos ein fesselnder Spielfilm, der sich aber in den vielen Pfaden, die er einschlägt, verliert und dadurch an Charakter verliert. Und nicht einmal die Teilnahme von Bruno Ganz oder ein Cameo-Auftritt der großartigen Erni Mangold können viel bewirken.
Als die Welt begann sich zu verändern
Der Trafikant, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Robert Seethaler und inszeniert von Nikolaus Leytner im Jahr 2018, ist einer der letzten Filme, in denen der große Bruno Ganz mitwirkte. Zu diesem Anlass spielte der legendäre Zürcher Schauspieler Sigmund Freud selbst, hier in einer der dramatischsten Phasen seines Lebens. Ein besonders anspruchsvolles Unterfangen, da der Spielfilm (und das Buch von Seethaler) sich parallel zu den Ereignissen von Freud vor allem auf die Wechselfälle eines jungen Mannes konzentriert, der seinen Platz in der Welt noch finden muss, während einer der dramatischsten Kriege vor der Tür steht. Ist der Regisseur in der Lage, eine so komplexe Aufgabe zu bewältigen? Gehen wir Schritt für Schritt vor.
Inszeniert wird also die Geschichte des 17-jährigen Franz (gespielt von Simon Morzé), der nach dem Tod seines Stiefvaters gezwungen ist, seine Heimatstadt zu verlassen, um nach Wien zu fahren und bei einem befreundeten Trafikanten (Johannes Krisch), einem Veteranen des Ersten Weltkriegs, der ein Bein verloren hat, zu arbeiten. In der österreichischen Hauptstadt lernt Franz Freud kennen und es entwickelt sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden. Hitlers Aufstieg zur Macht und die immer strengeren Rassengesetze werden die Dinge jedoch unwiederruflich verändern.
Im Laufe seiner langen und produktiven Karriere hat sich Leytner mit allen Arten von Filmen beschäftigt, sowohl mit Fernsehfilmen als auch mit Spielfilmen, die ausschließlich für Kinos bestimmt sind. Während wir den surrealen und naiven Charakter des entzückenden Films Drei Herren (1998) genossen haben, waren wir von Half a Life (2008) nicht ganz überzeugt. Neben dem Drama eines Mannes, der schwere Sünden zu sühnen hat, erwiesen sich bestimmte inszenatorische Virtuositäten, die dem Ganzen einen „traumhaften“ und spirituellen Charakter verleihen sollten, oft als unnötig und allzu kitschig. In Der Trafikant sind, wie man sich vorstellen kann, solche Virtuositäten beibehalten worden und beziehen sich in diesem Fall genau auf die Träume des jungen Protagonisten, die schriftlich festgehalten und dann von Sigmund Freud selbst interpretiert werden.
Zweifellos hat eine Persönlichkeit wie Freud einen starken Einfluss auf die gesamte Geschichte. Das Oneirische muss folglich zwangsläufig ins Spiel gebracht werden. Doch in Der Trafikant wirkt alles, was die Regie betrifft, übermäßig forciert und erinnert im Großen und Ganzen fast an einen Fernsehfilm (und hier kommt Leytners Fernseherfahrung ins Spiel).
Dasselbe gilt für die vielen Möglichkeiten, die so eine Geschichte bietet. Die Liebesqualen des jungen Franz, seine Unerfahrenheit mit Frauen und die wertvollen Ratschläge Freuds scheinen aus rein erzählerischer Sicht nie die notwendige Vertiefung zu finden. Alles scheint in dem Moment, in dem die Geschichte traurigerweise die Oberhand gewinnt, tatsächlich zu „verschwinden“. Und obwohl diese Wahl einerseits ihren eigenen, gelungenen Höhepunkt findet, scheint sie andererseits (absichtlich?) sich mit zu vielen Elementen zu beschäftigen. Schade. Tatsächlich ist Der Trafikant trotz allem ein fesselnder Spielfilm, der sich aber in den vielen Pfaden, die er eingeschlagen hat, verliert und dadurch auch an Charakter verliert. Und nicht einmal die Teilnahme von Bruno Ganz oder ein Cameo-Auftritt der großartigen Erni Mangold können viel bewirken.
Titel: Der Trafikant
Regie: Nikolaus Leytner
Land/Jahr: Österreich, Deutschland / 2018
Laufzeit: 117’
Genre: Drama, Historienfilm
Cast: Simon Morzé, Bruno Ganz, Johannes Krisch, Emma Drogunova, Regina Fritsch, Elfriede Irrall, Michael Fitz, Rainer Wöss, Sabine Herget, Gerti Drassl, Gerhard Liebmann, Hermann Scheidleder, Robert Seethaler, Alexander E. Fennon, Jasmin Barbara Mairhofer, Erni Mangold, Carl Achleitner, Fritz Egger, Gottfried Breitfuss, Angelika Strahser, Martin Thaler, Rainer Doppler, Barbara Spitz, Haymon Maria Buttinger, Thomas Mraz, Vicky Nikolaevskaja, Martin Oberhauser, Tom Hanslmaier, Karoline Eichhorn
Buch: Klaus Richter, Nikolaus Leytner, Robert Seethaler
Kamera: Hermann Dunzendorfer
Produktion: Epo-Film, Glory Film, TOBIS Film