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von Stefan Jäger
Note: 7
Monte Verità ist ein wildes Rennen in die Freiheit. Eine ständige Suche nach Schönheit in all ihren Formen. Ein verzweifeltes Bedürfnis nach Liebe, das nie seine eigene Erfüllung zu finden scheint. Eine Geschichte über die Frauenemanzipation, aber auch eine aufrichtige Hommage an die Fotografie und Kunst.
In den Schweizer Bergen
Kino und Fotografie. Zwei relativ neue Erfindungen, die oft – zu Recht – als zwei fast untrennbare Realitäten betrachtet werden. Wie oft wird Fotografie im Kino erwähnt? Und vor allem: Könnte das Kino überhaupt ohne Fotografie existieren? Natürlich nicht. Einer der jüngsten Spielfilme, der die Fotografie zu einem seiner Protagonisten macht, ist beispielsweise das Kostümdrama Monte Veritàvon Stefan Jäger aus dem Jahr 2021, das sich auf wahre Ereignisse basiert und eine Geschichte über die Frauenemanzipation erzählt, in der auch der Welt der Fotografie und der Kunst im Allgemeinen ein ehrlicher Tribut gezollt wird.
Hanna Leitner (gespielt von der ausgezeichneten Maresi Riegner) ist erst neunundzwanzig Jahre alt, aber schon lange verheiratet und hat zwei Töchter, die schon wissen, was sie in Zukunft werden wollen. Ihr Ehemann Anton (Philipp Hauss) ist ein autoritärer Mann, der auf keinen Fall will, dass sie sich für Fotografie (seinen Beruf) interessiert. Sie fühlt sich in ihrem bürgerlichen Zuhause unterdrückt und leidet unter Atemproblemen. Nach einem schweren Streit mit Anton beschließt sie, von zu Hause wegzulaufen und in ein Sanatorium in der Schweiz, das Monte Verità, auf dem Berg Monescia, zu fahren. In diesem Sanatorium, das von Dr. Otto Gross (Max Hubacher) geleitet wird, fühlt sich Hanna endlich frei und kann auch ihrer neuen Leidenschaft nachgehen. Was wird sie in der Zukunft erwarten?
In Monte Verità geht das Drama der Protagonistin Hand in Hand mit der Geschichte. Im Sanatorium – das heute noch existiert – wohnten zusammen mit der Hauptfigur auch Dr. Gross und Hermann Hesse, der kurz nach seiner Heimkehr den Roman Siddhartha schrieb. Aus dieser Zeit sind einige Fotos überliefert, die möglicherweise von einer echten „Hanna“ aufgenommen wurden. Auf jeden Fall hat Stefan Jäger zusammen mit Drehbuchautorin Kornelija Naraks für diesen Anlass eine sehr aktuelle Geschichte geschaffen, die allerdings im Jahr 1906 spielt.
Hanna will sich frei fühlen. Und das ist nur in den Schweizer Bergen möglich, wo sie sich endlich auf den Wiesen austoben, tief durchatmen und sich mit Kameras und Dunkelkammern vertraut machen kann. Ihre Vergangenheit jedoch – und vor allem die Erinnerung an ihre Töchter, von denen sie ein zerrissenes Foto im Kopf hat – hat sie nie wirklich verlassen. Monte Verità ist also ein wildes Rennen in die Freiheit. Eine ständige Suche nach Schönheit in all ihren Formen. Ein verzweifeltes Bedürfnis nach Liebe, das nie seine eigene Erfüllung zu finden scheint.
Stefan Jäger hat all diese Elemente gekonnt verarbeitet und sogar die Landschaften als Protagonisten behandelt. Der Monte Verità ist wie eine kleine, glückliche Insel, fast völlig isoliert vom Rest der Welt (obwohl Locarno nicht weit entfernt ist). Umgedrehte Bilder, die durch die Linse einer alten Kamera betrachtet werden, werden bald zu nostalgischen Schwarz-Weiß-Fotos. Und abgesehen von kurzen Momenten, in denen eine allzu künstliche Beleuchtung auffällt (zum Beispie, wenn wir den rasenden Zug, mit dem die Protagonistin nach ihrer Flucht von zu Hause reist, sehen), können wir feststellen, dass der Regisseur vor allem durch einen hervorragenden Umgang mit dem Raum und eine gute Charakterisierung der ProtagonistInnen auffällt, auch wenn am Ende des Films einige Fragen offen bleiben. Es ist immer Zeit, nach Wien zurückzukehren. Das Wichtigste ist, dass man sein Leben und sein Glück wieder in die Hand nimmt.
Titel: Monte Verità
Regie: Stefan Jäger
Land/Jahr: Schweiz, Österreich, Deutschland / 2021
Laufzeit: 116’
Genre: Drama
Cast: Maresi Riegner, Max Hubacher, Julia Jentsch, Hannah Herzsprung, Joel Basman, Philipp Hauß, Daniel Brasini, Tiana Distefano, Alina Distefano, Eleonora Chiocchini, Michael Finger, Igor Mamlenkov
Buch: Kornelija Naraks
Kamera: Daniela Knapp
Produktion: Tellfilm, KGP Filmproduktion, Coin Film