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NO NAME CITY

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von Florian Flicker

Note: 8

In Florian Flickers No Name City wechseln sich Realität und Fiktion ständig ab. Die Besucher haben ein idyllisches Bild von einem solchen Ort, während die Kamera gleichzeitig bereit ist, alle seine Geheimnisse zu enthüllen. Im Rahmen der Retrospektive Österreich real des Filmarchiv Austria.

Wie in einem Westernfilm

Etwa dreißig Kilometer südlich von Wien gibt es eine kleine Realität, bei der man fast den Eindruck hat, sich am Set eines Westernfilms zu befinden. In dieser kleinen Realität kann jeder in Schießereien und Banküberfälle verwickelt sein oder einfach nur reiten gehen. Alles geschieht natürlich nur zum Schein, und das Publikum ist jedes Mal begeistert von diesen neuen, ungewöhnlichen Erfahrungen, die es hier erleben kann. Diese Realität heißt No Name City. Hier sorgt jeden Tag eine kleine Gruppe von MitarbeiterInnen dafür, dass Besucher aus ganz Österreich etwas ganz Neues und Ungewöhnliches erleben können. Aber ist das wirklich so einfach zu handhaben? Regisseur Florian Flicker hat zusammen mit Georg Misch diese kleine Gemeinschaft aus nächster Nähe beobachtet. Aus diesen Erfahrungen entstand 2006 der Dokumentarfilm No Name City, der kürzlich im Rahmen der Retrospektive Österreich real des Filmarchivs Austria dem Publikum präsentiert wurde.

In No Name City kann man sich amüsieren, ein paar Stunden in völliger Freiheit verbringen und sogar den Eindruck haben, sich in einem anderen Jahrhundert zu befinden. Alles scheint friedlich und problemlos zu verlaufen. Doch die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Die Filmemacher verbrachten einen ganzen Sommer in No Name City und konnten so sehen, was „hinter den Kulissen“ passiert. Die BewohnerInnen des Ortes – der schon durch seine Lage ungewöhnlich ist, da er vollständig von Palisaden umzäunt ist und direkt an der Deponie Wöllersdorf liegt – führen fast ein Doppelleben. Tagsüber spielen sie bestimmte Rollen, um das Publikum zu unterhalten. Am Abend können alle endlich sie selbst sein, aber gleichzeitig treten zahlreiche andere Probleme auf.

Es ist nicht einfach, eine Realität wie No Name City zu verwalten. In einer so einzigartigen Welt, die jeden Tag zu verschwinden droht, ist der Kampf ums Überleben eine Konstante. Und so gewinnt der ewige Kampf zwischen Arm und Reich, wieder einmal die Oberhand über alles. Florian Flicker seinerseits erweist sich als unmittelbar nah an seinen ProtagonistInnen, vermeidet gekonnt jede Rhetorik und setzt alles auf einen extremen Realismus, durch den uns der Alltag der ProtagonistInnen stets ungefiltert vor Augen geführt wird.

In No Name City wechseln sich Realität und Fiktion ständig ab. Die BesucherInnen haben ein idyllisches Bild von dem Ort, während die Kamera gleichzeitig bereit ist, jedes Geheimnis zu enthüllen. Momente der Krise, aber auch Momente des angenehmen Zusammenseins lassen einen ehrlichen und aufrichtigen Dokumentarfilm entstehen, der von Zeit zu Zeit fast die Form einer Komödie mit einem bitteren Nachgeschmack annimmt. Eine äußerst lebendige und pulsierende Komödie. Nachts leuchten nur noch die Lichter des Gasthauses in No Name City. Sogar die Heißluftballonfahrten bei Sonnenuntergang sind jetzt vorbei. Jetzt ist es an der Zeit, sich nach einem langen Arbeitstag zu entspannen. Morgen geht es dann wieder um die Probleme des Alltags. Und vielleicht wird man auch Zeit finden, ein fröhliches Country-Lied zu singen.

Titel: No Name City
Regie: Florian Flicker
Land/Jahr: Österreich / 2006
Laufzeit: 86’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Florian Flicker
Kamera: Birgit Gudjonsdottir
Produktion: Mischief Films

Info: Die Seite von No Name City auf iMDb; Die Seite von No Name City auf der Webseite der Austrian Film Commission; Die Seite von No Name City auf der Webseite des Filmarchiv Austria