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SEMRA ERTAN

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von Cana Bilir-Meier

Note: 7

Semra Ertan ist das, was wir nicht erwarten: Ein absichtlich bruchstückhaftes Werk, dessen Fragmente wie viele Teile eines Puzzles ein lebendiges, pulsierendes Porträt einer Person ergeben, die heute von den meisten vergessen ist, die aber so viel getan hat, um die Welt, in der wir leben, besser zu machen. Auf der Viennale 2022, Sektion Österreich real.

Ein allzu kurzes Leben

Die türkische Dichterin und Schriftstellerin Semra Ertan (31. Mai 1956 – 26. Mai 1982) ist heute nicht nur für ihr Talent und ihre außergewöhnliche Sensibilität bekannt, sondern vor allem dafür, dass sie sich selbst in einem Hamburger Markt angezündet hat, um gegen den Rassismus in Deutschland zu protestieren. Wie aktuell ist ihre Geschichte heute? Wie haben sich die Dinge verändert? Und vor allem: Haben sich die Dinge seit jenem dramatischen Tag im Mai wirklich geändert? Wichtig ist vor allem, dass bestimmte Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten. In dieser Hinsicht hat die Filmemacherin Cana Bilir-Meier 2013 den Kurzdokumentarfilm Semra Ertan gedreht, der auf der Viennale 2022 im Rahmen der Retrospektive Österreich real des Filmarchivs Austria erneut dem Publikum präsentiert wurde.

Das Leben der jungen Schriftstellerin endete zu früh. In wenigen Augenblicken änderte sich alles für immer. Um die Idee eines plötzlich beendeten Lebens vollständig zu vermitteln, entschied sich die Regisseurin für einen hektischen Schnitt, bei dem sich eine Reihe von Ausschnitten aus Fernsehnachrichten, Talkshows und Tonaufnahmen mit Bildern aus Semra Ertans eigenem Tagebuch abwechseln. Zwischen den einzelnen Clips: Kurze Momente der Stille, in denen die Leinwand völlig schwarz wird.

Ein leidenschaftliches Liebesgedicht wird von der Stimme der Autorin rezitiert. Ein Gedicht, das an einen Mann gerichtet ist, das aber gleichzeitig viel über die Persönlichkeit der Autorin verrät. Eine äußerst starke und entschlossene Persönlichkeit, die bereit ist, alles zu tun, um ihren Idealen treu zu bleiben. Und das hat sich leider auch bei uns gezeigt. Um das Wesen ihrer Werke und ihres kurzen Lebens zu verstehen, braucht es nichts weiter, und in nur acht Minuten bekommen wir eine Vorstellung davon, wie die Künstlerin war.

Von Semra Ertan darf man keine klassische, didaktische Dokumentation erwarten. Im Gegenteil, Cana Bilir-Meier hat sich für einen stark anti-narrativen Ansatz entschieden, der sich in diesem Fall als ideale Lösung erwiesen hat, um uns einen näheren Einblick in das Leben der Schriftstellerin zu geben. Semra Ertan ist das, was wir nicht erwarten, ein absichtlich bruchstückhaftes Werk, dessen Fragmente, wie so viele Teile eines Puzzles, ein lebendiges, pulsierendes Porträt einer Person bilden, die heute von den meisten vergessen ist, die aber so viel getan hat, um die Welt, in der wir leben, zu verbessern.

Die Stimme der Autorin rezitiert ein Gedicht. Dunkelheit. Bilder von einem großen Platz in Hamburg. Dunkelheit. Und dann noch ein kurzes Interview, das die junge Semra Ertan im Fernsehen gab, kurz bevor sie sich umbrachte. In diesem kurzen, aber eindrucksvollen Dokumentarfilm von Cana Bilir-Meier bleibt keine Zeit zum Durchatmen oder zum Betrachten der Details auf der Leinwand, nicht einmal für ein paar Sekunden. Dennoch bleibt das Bild von Semra Ertan in unseren Köpfen. Und dank dieses kleinen und wertvollen Werks können wir glauben, dass sie ewig leben wird.

Titel: Semra Ertan
Regie: Cana Bilir-Meier
Land/Jahr: Österreich, Deutschland / 2013
Laufzeit: 8’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Cana Bilir-Meier
Kamera: Cana Bilir-Meier
Produktion: Cana Bilir-Meier

Info: Die Seite von Semra Ertan auf der Webseite der Viennale; Die Seite von Semra Ertan auf iMDb