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KRIEG IN WIEN

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von Ulrich Seidl und Michael Glawogger

Note: 8

Ein zynischer und desillusionierter Blick konzentriert sich vor allem auf die zahlreichen Paradoxien, die sich auftun, wenn uns verschiedene Realitäten nacheinander vorgeführt werden. Man lacht viel, man lacht fast von Anfang bis Ende, wenn man sich Krieg in Wien anschaut. Bei näherer Betrachtung ist das, was uns gezeigt wird, jedoch recht verstörend. Auf der Viennale 2022, Sektion Österreich real.

Während die Toten sterben, leben die Lebenden

Wien ist die Hauptstadt Österreichs. Die europäische Hauptstadt mit der niedrigsten Kriminalitätsrate. Etwa eineinhalb Millionen Einwohner. Zahlreiche Flüchtlinge versuchen täglich, sich in die Gesellschaft zu integrieren. In Wien ist (scheinbar) alles perfekt organisiert. Und mit der Einstellung eines Zuges auf dem Weg zum Hauptbahnhof beginnt der Dokumentarfilm Krieg in Wien, bei dem Ulrich Seidl und Michael Glawogger 1989 Regie führten und der auf der Viennale 2022 im Rahmen der Retrospektive Österreich real des Filmarchivs Austria erneut dem Publikum vorgestellt wurde.

Alles scheint also absolut ruhig zu sein. Aber was geschieht in der Zwischenzeit in der Welt? Krieg in Wien zeigt uns vier Tage, in denen alles Mögliche in der Welt geschah: Kriege, Schiffskatastrophen, Proteste, Unfälle aller Art. Und in Wien scheint das Leben zur gleichen Zeit ruhig zu verlaufen. Als ob nichts geschehen wäre. Ulrich Seidl und der leider verstorbene Michael Glawogger griffen dabei auf zahlreiche Archivaufnahmen zurück, die hauptsächlich aus Nachrichtensendungen in aller Welt stammen, in denen diese Katastrophen bekannt gegeben wurden. Durch eine gekonnte Parallelmontage wechseln sich diese Clips mit dem ab, was in der Zwischenzeit in Wien passiert. Die Botschaft kommt laut und deutlich an.

Ein zynischer und desillusionierter Blick konzentriert sich vor allem auf die zahlreichen Paradoxien, die sich auftun, wenn uns verschiedene Realitäten nacheinander vorgeführt werden. Man lacht viel, man lacht fast von Anfang bis Ende, wenn man sich Krieg in Wien anschaut. Bei näherer Betrachtung ist das, was uns gezeigt wird, jedoch recht verstörend.

Jeden Tag werden viele Babys in Krankenhäusern geboren. Die Krankenschwester zeigt es den Verwandten, die ungeduldig darauf warten, das Neugeborene zu sehen. In den Leichenhallen werden die Leichen gewaschen und für die Beerdigung vorbereitet. Und schließlich scheint in den Häusern der Wienerinnen und Wiener alles perfekt organisiert zu sein. Eine ältere Frau lebt in einer kleinen Wohnung, braucht aber nichts weiter, um glücklich zu sein. Eine andere Frau zeigt der Kamera stolz die Räume ihres Hauses. Und sofort erkennt man Ulrich Seidls stilistische Handschrift und seinen zynischen und desillusionierten Blick, der der österreichischen Gesellschaft seit jeher eine gewisse Heuchelei und eine gefährliche Gleichgültigkeit gegenüber dem, was außerhalb des eigenen Hauses geschieht, vorwirft.

Ulrich Seidl und Michael Glawogger (hier bei seinem Debütfilm) haben daher ihre Stile in diesem witzigen und stets aktuellen Krieg in Wien vereint. Es ist interessant, viele Jahre später zu sehen, wie bestimmte Themen zu Konstanten in ihrer Filmografie geworden sind. Dies ist das einzige Mal, dass die beiden Regisseure bei einem Film gemeinsam Regie geführt haben. Von da an würde jeder seinen eigenen Weg gehen. Doch obwohl es sich um ein Debüt handelt, kann dieser interessante Krieg in Wien fast als eine Summa ihrer Filmografie betrachtet werden. Eine ereignisreiche Reise um die Welt, deren Endstation immer das geliebte und gehasste Wien ist.

Titel: Krieg in Wien
Regie: Ulrich Seidl, Michael Glawogger
Land/Jahr: Österreich / 1989
Laufzeit: 84’
Genre: Dokumentarfilm
Cast: Karin David-Kienzer, Dagmar Schwarz, Thomas Stolzetti
Buch: Michael Glawogger, Ulrich Seidl, Ortrun Bauer, Andrea Wagner, Barbara Zuber
Kamera: Ortrun Bauer, Hans Selikovsky, Wolfgang Thaler
Produktion: Filmakademie Wien

Info: Die Seite von Krieg in Wien auf der Webseite der Viennale; Die Seite von Krieg in Wien auf iMDb; Die Seite von Krieg in Wien auf der Webseite von Ulrich Seidl