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von Barbara Albert
Note: 7.5
In Somewhere Else sehen wir eine Reihe von unterschiedlichen Ansätzen ans Leben, an die Gegenwart und an die Zukunft. Was Barbara Albert uns in erster Linie vermitteln wollte, ist eine – wenn auch schwache und unsichere – Botschaft der Hoffnung sowie ein starker, sehr starker Wunsch nach einem Neuanfang. Auf der Viennale 2022, Sektion Österreich real.
Nach dem Krieg
Der Krieg in Jugoslawien hatte zahlreiche dramatische Auswirkungen auf das Leben derjenigen, die ihn hautnah erlebt haben. Aber wie haben die jungen Menschen das erlebt? Wie haben sich ihr Leben und ihre Zukunftsperspektiven verändert? Regisseurin Barbara Albert war sofort nah an dieser Realität und hat in ihrem Debüt-Dokumentarfilm Somewhere else, der 1997 gedreht wurde und auf der Viennale 2022 im Rahmen der Retrospektive Österreich real des Filmarchivs Austria erneut dem Publikum gezeigt wurde, vier junge Menschen interviewt und sie gebeten, ihre eigene Geschichte zu erzählen.
In Sarajewo sind die Folgen des Krieges noch immer spürbar. Die Stadt scheint nicht mehr das zu sein, was sie einmal war. Die Menschen sind immer noch verängstigt, sie scheinen fast verärgert, wenn sie bemerken, dass jemand mit einer Kamera filmt. „Was will sie von uns? Sie will Geld verdienen, indem sie unsere Situation ausnutzt“, sagt ein Ehepaar, als sie die Anwesenheit des Filmteams bemerken. Die Protagonisten des Dokumentarfilms hingegen sind freundlich und hilfsbereit, fast so, als ob sie sich wirklich jemandem anvertrauen müssten.
Ein Mädchen schlendert durch die Straßen der Stadt. Sie möchte gerne ein Medizinstudium beginnen. Gleichzeitig erinnert sie sich daran, wie Sarajevo vor dem Krieg aussah, als sich junge Leute in der Nähe der Statue einer sitzenden Frau trafen. Ein junger Musiker hingegen scheint viel weniger Energie zu haben. Er weiß immer noch nicht, was ihn in der Zukunft erwartet. In Somewhere else sehen wir eine Reihe von unterschiedlichen Ansätzen ans Leben, an die Gegenwart und an die Zukunft. Ja, denn was Barbara Albert uns in erster Linie vermitteln wollte, ist eine, wenn auch schwache und unsichere, Botschaft der Hoffnung sowie ein starker, sehr starker Wunsch nach einem Neuanfang.
Somewhere else, der zwei Jahre vor Nordrand entstand, der die Regisseurin schließlich weltweit berühmt machen sollte, weist viele Gemeinsamkeiten mit dem oben genannten Spielfilm auf. Erstens steht der Krieg in Jugoslawien im Vordergrund (obwohl Nordrand in Wien spielt); zweitens haben wir es mit zwei Chorfilmen zu tun, die beide von jungen Menschen handeln, die ihren Weg noch finden müssen; und schließlich verdient die Wahl der Musik besondere Aufmerksamkeit: leichte Popsongs kontrastieren mit dem starken Realismus der Bilder und bilden insgesamt eine perfekte Harmonie.
Interessant ist, dass kurz vor dem Ende von Somewhere Else ein Moment erreicht wird, der fast symbolisch für einen Neuanfang steht: Das Silvesterfest (ein Element, das übrigens auch in Nordrand vorkommt). Von diesem Moment an sehen wir, wie sich im Laufe eines Jahres das Leben der ProtagonistInnen verändert hat, aber auch – und vor allem – ihr Blick in die Zukunft. Ein vorsichtiger Optimismus gehört nun zu ihrem Alltag. Der Krieg ist noch in Erinnerung, aber er scheint ein Ereignis der Vergangenheit zu sein. Somewhere else ist Kraft, Widerstandsfähigkeit und Hoffnung. Den jungen Menschen die (schwierige) Aufgabe, eine bessere Zukunft aufzubauen.
Titel: Somewhere Else
Regie: Barbara Albert
Land/Jahr: Österreich / 1997
Laufzeit: 60’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Barbara Albert
Kamera: Christine A. Maier
Produktion: Universität für Musik & Darstellende Kunst