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von Nikolaus Geyrhalter
Note: 9
Bei Matter out of Place haben wir es, wie so oft bei Nikolaus Geyrhalters Arbeiten, mit etwas Imposantem, etwas magnetisch Wunderbaren zu tun. Mit etwas, das uns jedoch mit seinen bis ins kleinste Detail durchdachten Bildern ein Problem näher bringt, das dringender ist denn je. Auf der Viennale 2022.
Retten wir unseren Planeten!
Man kann sich nicht vorstellen, sich einen Dokumentarfilm von Nikolaus Geyrhalter in einem anderen Medium als auf der Kinoleinwand anzuschauen. Ja, denn wenn es ein Adjektiv gibt, das alle seine Werke – von seinen Anfängen bis heute – betrifft, dann ist es – ohne zu übertreiben – „majestätisch“. Majestätisch sind in der Tat Dokumentarfilme wie Angeschwemmt (1994), Homo Sapiens (2016) oder Erde (2019), um nur einige Beispiele zu nennen. Und ebenso majestätisch ist Matter out of Place, sein jüngstes Werk, das auf dem Locarno Film Festival 2022 seine Weltpremiere und auf der Viennale 2022 seine Österreich-Premiere hatte.
Bei Matter out of Place haben wir es also, wie so oft bei den Werken des Wiener Regisseurs, mit etwas Imposantem, etwas magnetisch Wunderbaren zu tun. Mit etwas, das uns jedoch mit seinen bis ins kleinste Detail studierten Bildern ein Problem vor Augen führt, das dringender ist denn je. Ein Problem, das die ganze Menschheit betrifft und das gerade wegen der Menschheit besteht: Das Problem der Abfälle, die in immer größeren Mengen unseren Planeten und unsere Gesundheit bedrohen.
Ein Fluss fließt zwischen zwei Bergen in der Schweiz. Die Wasseroberfläche ist in ihrer Kompaktheit nahezu perfekt. Doch schon bald stellen wir fest, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und dies geschieht, sobald wir die nächste Kameraeinstellung sehen, in der uns die besagten Berge aus einer anderen Perspektive gezeigt werden. Auf einer kleinen Bank an ihrem Fuße sehen wir nämlich eine riesige Müllfläche. Das ist völlig unnatürlich, wenn man an die Schönheit denkt, die uns die Natur geschenkt hat und die Geyrhalters Kamera zunächst gefilmt hat. Aber das ist noch nicht alles. Auf einer langen Reise von der Schweiz nach Albanien, Nepal, auf die Malediven, nach Österreich und in die Vereinigten Staaten zeigt uns der Regisseur all die (leider oft vergeblichen) Versuche, diese Abfälle zu entsorgen, sei es durch Freiwillige oder durch Verbrennungsanlagen (wie zum Beispiel in Österreich).
In Matter out of Placefällt jedoch sofort ein äußerst realistischer und desillusionierter Blick auf, als sei jeder Versuch, unseren Planeten zu retten, völlig vergeblich und als sei der Müll in Wirklichkeit dazu bestimmt, nie zu verschwinden. In Matter out of Placeüberwiegt das Schweigen den Dialog. Lange Kameraeinstellungen hypnotisieren uns fast, indem sie uns den Abfall zeigen, der zu „rebelliere“ scheint, während er geschreddert wird. Ebenso werden atemberaubende Landschaften, wahre Naturparadiese, sofort durch Aufnahmen „verunreinigt“, die uns gnadenlos zeigen, wie der Müll Teil von ihnen geworden ist. Das Ganze hat zuweilen fast abstrakte Züge. Fast traumhafte Züge, wie vor einem Konzert mitten in der Wüste von Nevada, wenn eine Gruppe von Musikern sofort an das Kino von Federico Fellini denken lässt.
Mit einem für sein Kino typischen, stark kontemplativen Ansatz hat Nikolaus Geyrhalter uns ein weiteres wichtiges Kapitel der Zeitgeschichte über die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt geschenkt. Und wieder einmal zeigt sich, dass der Erstgenannte nie gelernt hat, die Welt, in der er lebt, zu respektieren. Eine Welt, die immer mehr leidet, die verzweifelt nach Hilfe schreit. Und in Matter out of Place wird dieser Hilferuf mit seinem langen und zahlreichen Schweigen noch ohrenbetäubender.
Titel: Matter out of Place
Regie: Nikolaus Geyrhalter
Land/Jahr: Österreich / 2022
Laufzeit: 105’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Nikolaus Geyrhalter
Kamera: Nikolaus Geyrhalter
Produktion: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion