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EINE MILLION KREDIT IST NORMAL, SAGT MEIN GROSSVATER

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von Gabriele Mathes

Note: 8

In Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater zeigt Gabriele Mathes, wie die Wirtschaft das Leben der Menschen für immer verändern kann. So wird durch die Geschichte einer bestimmten Familie ein viel breiterer Diskurs über die Geschichte einer ganzen Nation eröffnet. Auf der Viennale 2022, Sektion Österreich real.

Erinnerungen

Eine glückliche Familie. Bilder aus der Vergangenheit, die uns an die Hand nehmen in eine Welt, in der jede Krise eine ferne Idee zu sein scheint. Oder doch nicht? Der Dokumentarfilm Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater – 2006 von Gabriele Mathes gedreht und auf der Viennale 2022 im Rahmen der Retrospektive Österreich real des Filmarchivs Austria erneut dem Publikum präsentiert – spielt genau mit dem starken Kontrast zwischen den Bildern, die wir auf der Leinwand sehen, und dem, was von einer Off-Stimme erzählt wird. Sehen wir uns an, worum es konkret geht.

Um ihr wertvolles kleines Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater zu machen, hat Gabriele Mathes akribisch in ihren eigenen Familienfilmen recherchiert. Diese Filme – alle auf Super 8 gedreht – zeigen in Wirklichkeit ausgesprochen idyllische Familiensituationen: Kinder, die unbeschwert spielen, Ferien am Meer und in den Bergen, die Mutter der Regisseurin, die lächelnd in die Kamera schaut, während ihr Mann sie filmt. Ein Österreich der 1970er Jahre, in dem das Wohlbefinden in allen Bereichen des Alltagslebens zu herrschen scheint. Aber wie lange wird das alles dauern?

Bald wird sich die gezeigte Idylle schlagartig ändern: Die vom Großvater gegründete Möbelfabrik des Vaters der Regisseurin geht in Konkurs, der Vater wird von den Schulden erdrückt, und das frühere Leben wird nur noch eine vage Erinnerung sein. In Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater zeigt uns die Regisseurin deshalb genau diesen plötzlichen Wandel und wie die Wirtschaft das Leben der Menschen für immer verändern kann. So wird durch die Geschichte einer bestimmten Familie ein viel breiterer Diskurs über die Geschichte einer ganzen Nation eröffnet.

Ein guter Schnitt weiß, wie man das Beste aus den Bildern auf der Leinwand herausholen kann. Eine rein kontemplative Stimmung steht im Mittelpunkt und kontrastiert stark mit dem starken, sehr starken Gefühl des Unbehagens, das durch die Off-Stimme vermittelt wird. Was beim Anschauen von Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater sofort ins Auge fällt, sind die warmen Farben der Super-8-Bilder, die beruhigenden Szenen des Familienlebens, die unbeschwerte Atmosphäre einer Zeit, die leider viel zu schnell zu Ende gegangen ist.

In diesem intimen und persönlichen Dokumentarfilm hat Gabriele Mathes alles bis ins kleinste Detail recherchiert und ihr umfangreiches Filmmaterial sorgfältig und kompetent eingesetzt. So wird in Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater ein wichtiges Kapitel der österreichischen Geschichte auf eine niemals banale Weise erzählt. Der starke Kontrast zwischen dem, was wir sehen, und dem, was wir hören, stellt perfekt die inneren Konflikte derer dar, die erleben, wie sich ihr Leben von einem Tag auf den anderen verändert. Und all das kann, selbst auf der Leinwand, viel, viel Leid anrichten.

Titel: Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater
Regie: Gabriele Mathes
Land/Jahr: Österreich / 2006
Laufzeit: 22’
Genre: Dokumentarfilm, Experimentalfilm
Cast: Stefanie Dvorak
Buch: Gabriele Mathes
Kamera: Gabriele Mathes
Produktion: Gabriele Mathes

Info: Die Seite von Eine Million Kredit ist normal, sagt mein Großvater auf iMDb; Die Seite von Eine MIllion Kredit ist normal, sagt mein Großvater auf der Webseite der sixpackfilm