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von Josef Aichholzer und Ruth Beckermann
Note: 7.5
In Auf amol a Streik konzentriert sich die Kamera von Josef Aichholzer und Ruth Beckeremann direkt auf die Arbeiter. Der auf 16 mm gedrehte und vollständig in Schwarzweiß gehaltene Dokumentarfilm enthält Aufnahmen, die von den RegisseurInnen direkt bei Arbeiterversammlungen oder beim Betreten der Fabrik gemacht wurden, sowie Einzelbilder der Fabrikchefs und kurze Animationseinlagen des verstorbenen Manfred Deix. Auf der Viennale 2022 im Rahmen der Retrospektive Österreich real.
Arbeiter protestieren
Vom 17. April bis 11. Mai 1978 fand in Österreich der längste Streik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs statt. Bei dieser Gelegenheit organisierten einige Arbeiter der Semperit-Reifenfabrik in Traiskirchen in Niederösterreich eine Reihe von Protesten und Verhandlungen – auch mit Unterstützung der Gewerkschaft -, um bessere Löhne zu erreichen. Ihre Proteste, ihre Versammlungen und die Reaktionen der Fabrikbesitzer dokumentierten die FilmemacherInnen Josef Aichholzer und Ruth Beckermann in ihrem Kurzdokumentarfilm Auf amol a Streik, der auf der Viennale 2022 im Rahmen der vom Filmarchiv Austria organisierten Retrospektive Österreich real dem Publikum präsentiert wurde.
In Auf amol a Streik konzentriert sich die Kamera der beiden RegisseurInnen also unmittelbar auf die ArbeiterInnen. Einige wenige, kurze Fragen dienen dazu, ihnen eine Stimme zu geben und dem Publikum ihre Beweggründe und Bedürfnisse nahe zu bringen. Der auf 16 mm gedrehte und vollständig in Schwarzweiß gehaltene Dokumentarfilm enthält Aufnahmen, die Aichholzer und Beckermann direkt bei den Arbeiterversammlungen oder beim Betreten der Fabrik gemacht haben, sowie Einzelbilder der Fabrikchefs, aber auch – und das ist sehr wertvoll – kurze Animationseinlagen und Karikaturen des verstorbenen Cartoonisten Manfred Deix.
Eine Gruppe von Arbeitern ist im Begriff, das Werkstor zu betreten. Woran erinnert uns das? Es ist unmöglich, nicht an das sehr berühmte Gemälde Der vierte Standzu denken, das Giuseppe Pelizza da Volpedo zwischen 1898 und 1901 gemalt hat, aber auch – und vor allem – an das, was als der erste Film in der Filmgeschichte gilt: La Sortie de l’Usine Lumière, der 1895 von den Brüdern Lumière gedreht wurde und die Angestellten der Lumière-Fabrik zeigt, die am Ende eines langen Arbeitstages nach Hause gehen.
Interessanterweise steht Auf amol a Streik jedoch in starkem Kontrast zum Film der berühmten Filmpioniere. In La Sortie de l’Usine Lumière fällt nämlich auf, dass die ArbeiterInnen trotz der schweren Arbeit, die sie hinter sich haben, auf dem Heimweg glücklich und lächelnd wirken. Obwohl das Konzept des Filmemachens zu dieser Zeit noch nicht sehr weit entwickelt war, wussten die Brüder Lumière genau, welche Botschaft sie dem Publikum vermitteln wollten (und welche Art von Werbung sie für ihre eigene Fabrik machen wollten). In Auf amol a Streik haben wir es natürlich mit einer ganz anderen Situation zu tun. Hier sind die Arbeitnehmer kämpferisch, entschlossen, ihre Rechte durchzusetzen, aber auch desillusioniert durch die ständigen, anstrengenden Verhandlungen mit ihren Arbeitgebern.
Josef Aichholzer und Ruth Beckermann haben ihre Gefühle und ihren Wunsch nach einem besseren Leben gut auf die Leinwand gebracht. In Auf amol a Streik ist nichts anderes nötig, um die Idee dieses besonderen historischen Moments zu vermitteln. Ein äußerst einfacher und direkter Ansatz erwies sich als die richtige Lösung. Das Gleiche gilt für die Musik, die nur sporadisch in den Dokumentarfilm einfließt, aber oft dazu dient, eher groteske Situationen zu unterstreichen (besonders bemerkenswert ist der Moment, in dem wir sogar Johann Strauss‘ An der schönen blauen Donau in karikierender Weise hören können). In nur vierundzwanzig Minuten ist es den beiden RegisseurInnen also gelungen, einen wesentlichen Moment der österreichischen Geschichte einzufangen. Das Bild eines Volkes, das sich nicht scheut, jeden Tag zu kämpfen und seiner Stimme Gehör zu verschaffen.
Titel: Auf amol a Streik
Regie: Josef Aichholzer, Ruth Beckermann
Land/Jahr: Österreich / 1978
Laufzeit: 24’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Josef Aichholzer, Ruth Beckermann
Kamera: Josef Aichholzer, Ruth Beckermann, Manfred Deix
Produktion: Filmladen