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EINE MODERNE EHE

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von Johann Schwarzer

Note: 7.5

Eine moderne Ehe zeigt einen zynischen, aber auch humorvollen Blick auf das Eheleben. Niemand ist wirklich unschuldig, jeder hat in diesem kleinen Film von Johann Schwarzer seine eigenen kleinen, großen Geheimnisse. Der Regisseur ist, wie bei all seinen anderen Werken auch, nie beurteilend, sondern beobachtet seine ProtagonistInnen mit Zuneigung und Sympathie und will dem Publikum vor allem ein paar Minuten der Unbeschwertheit schenken.

Eheleben

Regisseur und Fotograf Johann Schwarzer hat in seiner kurzen Karriere nicht viel Glück gehabt. Ja, denn seine Produktionsfirma – die umstrittene Saturn-Film – wurde stets vom Publikum und den Behörden boykottiert, so dass sie 1911 nach nur fünf Jahren Betrieb geschlossen werden musste. In diesen fünf Jahren entstanden jedoch zahlreiche erotische Filme (die ersten Filme in der österreichischen Filmgeschichte), von denen viele leider verloren gegangen sind und die von feiner Ironie geprägt sind. Einer der Filme, die uns geblieben sind, ist der Kurzfilm Eine moderne Ehe aus dem Jahr 1907, in dem ein amüsanter Familienwitz über eine etwas „überfüllte“ Hochzeit gezeigt wird.

Wir befinden uns in einem eleganten Wohnzimmer. Ein Mann und eine Frau sitzen an einem Tisch. Dann kommt die Kellnerin herein und übergibt dem Mann einen Zettel: Er muss dringend in ein Café. Die Frau scheint zunächst verärgert zu sein, aber nachdem ihr Mann gegangen ist, ruft sie ihren Liebhaber an und bittet ihn, sie zu besuchen. Während ihr Mann also seine junge Geliebte im Café trifft, empfängt sie ihren Geliebten in ihrem Schlafzimmer. Niemand scheint etwas zu ahnen.

Eine moderne Ehe zeigt also einen zynischen, aber auch humorvollen Blick auf das Eheleben. Niemand ist wirklich unschuldig, jeder hat in diesem kleinen Film von Johann Schwarzer seine eigenen kleinen, großen Geheimnisse. Der Regisseur seinerseits ist, wie bei all seinen anderen Werken auch, nie wertend, sondern beobachtet seine ProtagonistInnen mit Zuneigung und Sympathie und will dem Publikum vor allem ein paar Minuten der Unbeschwertheit schenken.

In wenigen Kameraeinstellungen (genauer gesagt, in fünf Einstellungen und drei Szenenwechseln) wird das Leben eines wohlhabenden Ehepaars erzählt. Die Kamera ist ständig starr, ein Zeichen dafür, dass die Filmtechnik in Österreich, anders als im Rest der Welt, noch sehr rudimentär war. Besonders interessant an Eine moderne Ehe sind jedoch zwei besondere Faktoren: Die Farben des Films und der Schnitt. Wie in der Stummfilmzeit üblich, war es nämlich normal, die Filme in spezielle Anilinfarbstoffen zu tauchen, um die gewünschte Färbung zu erzielen, damit die Vorstellung von Szenenwechseln, verschiedenen Locations, die Dramatik oder die Leichtigkeit bestimmter Momente oder sogar die verschiedenen Tagesphasen besser wiedergegeben werden konnten.

So hat es auch Johann Schwarzer in Eine moderne Ehe gemacht, in der wir neben einer sehr einfachen und linearen Geschichte auch eine rudimentäre, aber sehr wirkungsvolle Parallelmontage finden, in der wir Zeuge der Ereignisse der beiden heimlichen Paare werden. Wie wir wissen, sollte diese Technik in den folgenden Jahren von David W. Griffith ausgiebig erprobt werden, aber sie begann bereits, Filmemacher auf der ganzen Welt zu faszinieren. Dass Johann Schwarzer in seinem wertvollen kleinen Eine moderne Ehe daran gedacht hat, zeugt von großer Weitsicht und außerordentlicher Experimentierfreudigkeit mit der neugeborenen Filmkunst. Und wer weiß, welche anderen schönen Überraschungen er uns noch hätte bereiten können. Es ist schade, dass sein außergewöhnliches Talent damals niemandem aufgefallen ist.

Titel: Eine moderne Ehe
Regie: Johann Schwarzer
Land/Jahr: Österreich / 1907
Laufzeit: 6’
Genre: Erotikfilm, Filmkomödie
Buch: Johann Schwarzer
Kamera: Johann Schwarzer
Produktion: Saturn-Film

Info: Die Seite von Eine moderne Ehe auf iMDb