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VERA

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von Tizza Covi und Rainer Frimmel

Note: 8

Vera ist nicht einfach ein Film mit Vera Gemma. Vera ist vor allem ein Film über Vera Gemma und für Vera Gemma. Die Protagonistin – mit ihrer auffälligen Kleidung und ihren langen blonden Haaren – ist einfach magnetisch und fesselt die Aufmerksamkeit des Zuschauers von den ersten Frames an, bevor sie sich dem Publikum mit all ihren Schwächen und ihrer unglaublichen Menschlichkeit zeigt.

Endlich Vera

Filme, seien es Spielfilme oder Dokumentarfilme, ermöglichen es uns, Realitäten zu erleben, die wir uns niemals hätten vorstellen können. Und wenn seit den Ursprüngen des Kinos Fiktion und Realität oft miteinander verschmolzen sind und manchmal fast zu einer Einheit geworden sind, in der wir die beiden Teile nur schwer unterscheiden können, so ist dieser Effekt zu einem echten Markenzeichen in der Filmografie von Tizza Covi und Rainer Frimmel geworden. Man denke zum Beispiel an Vera, ihren jüngsten Spielfilm, der auf den 79. Filmfestspielen von Venedig im Wettbewerb in der Sektion Orizzonti uraufgeführt wurde.

Im Fall von Vera wissen wir nie genau, wo die Realität endet und die Fiktion beginnt. Die Figuren präsentieren sich vor der Kamera so, wie sie sind, ohne Filter, und im Verlauf der Geschichte zeigen sie sich dem Zuschauer mit all ihren Schwächen und ihrer unglaublichen Menschlichkeit. Vera Gemma ist also die wichtige Protagonistin ihres Spielfilms. Und sofort wird uns klar, dass es ein Fehler wäre, sie einfach als die Tochter des berühmten Giuliano Gemma zu betrachten. Zweifellos hat die Figur ihres Vaters ihr Leben und ihre Karriere immer beeinflusst, aber das Selbstbild, das sie sich im Laufe der Jahre aufgebaut hat, ist in Wirklichkeit völlig anders als ihr wahres Wesen.

Vera lebt im Zentrum Roms, besucht oft VIP-Partys und hat Schwierigkeiten, einen Job im Filmbereich zu finden. Für alle ist sie „die Tochter von Giuliano Gemma“, und viele profitieren von ihrer Großzügigkeit und ihrem Liebesbedürfnis, um Gunst und Vorteile zu erlangen. Als sie bei einem Autounfall am Stadtrand von Rom unabsichtlich ein Kind verletzt, das mit seinem Vater auf einem Motorrad unterwegs war, tut sie alles, um seiner Familie zu helfen, und wird fast Teil davon. Die Dinge werden jedoch bald eine unerwartete Wendung nehmen.

Vera ist also nicht einfach ein Film mit Vera Gemma. Vera ist vor allem ein Film über Vera Gemma und für Vera Gemma. Die Protagonistin wirkt mit ihrer auffälligen Kleidung und ihren langen blonden Haaren geradezu magnetisch und fesselt die Aufmerksamkeit des Zuschauers von den ersten Bildern an, wenn die Kamera von Tizza Covi und Rainer Frimmel ihr auf dem Weg zu einer Party durch die Straßen der Stadt folgt. Jetzt ist endlich die Zeit gekommen, die Szene zu betreten. Nun ist es an der Zeit, dass das Publikum die lebhafte und verwundbare Vera Gemma kennenlernt.

Der extreme Realismus – der durch die Entscheidung, das Ganze auf Film zu drehen, noch wertvoller wird – ist das, was am meisten auffällt. Die Schulterkamera begleitet die Frau in einer Zavattini-ähnlichen Manier durch ihre Tage. Ein tiefes Gefühl der Einsamkeit wirkt fast wie ein Nebendarsteller. Alte Amateurfilme, in denen Schauspieler Giuliano Gemma mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern im Urlaub am Meer zu sehen ist, werden auf einem kleinen Fernsehgerät gezeigt. Ein großes Porträt ihres Vaters über dem Bett der Protagonistin vermittelt sofort ein Gefühl der Ehrfurcht und macht deutlich, wie wichtig er für sie war.

Vera erzählt uns im Grunde die Geschichte einer einsamen Frau. Die Geschichte einer Frau, die viel verwundbarer und sensibler ist, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Geschichte einer Frau, die nie richtig verstanden worden ist. Nicht einmal von ihrer eigenen Familie. Tizza Covi und Rainer Frimmel haben es wieder einmal geschafft, uns zu zeigen, was „hinter den Kulissen“ steckt. Ihr aufmerksamer und sensibler Blick hat uns noch eine Geschichte beschert, die wir nicht so schnell vergessen werden. So wie es in der Vergangenheit bei Geschichten über Zirkusleute (in Babooska, Mister Universo und La Pivellina), über kleine russische Dörfer (in Das ist Alles) oder über illegale Kartenspiele in einem geheimnisvollen Wiener Untergrund (in Aufzeichnungen aus der Unterwelt) der Fall war. Vera Gemma ist eine außergewöhnliche Protagonistin, die man langsam lieben lernt. Und dank Tizza Covi und Rainer Frimmel wirkt sie auf der Leinwand lebendiger denn je.

Titel: Vera
Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel
Land/Jahr: Österreich / 2022
Laufzeit: 115’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Tizza Covi
Kamera: Rainer Frimmel
Produktion: Vento Film

Info: Die Seite von Vera auf iMDb; Die Seite von Vera auf der Webseite der Austrian Film Commission; Die Seite von Vera auf der Webseite des Österreichischen Filminstituts; Die Seite von Vera auf labiennale.org