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von E. W. Emo
Note: 6.5
Ganz im Sinne der österreichischen Filmografie jener Jahre inszeniert Freunde ein Liebesdrama, in dem jedoch kein Bezug zum gerade zu Ende gegangenen Krieg genommen wird. Die Geschichte der drei Protagonisten ist in den 1940er Jahren angesiedelt, könnte aber in jeder Epoche spielen.
Zwei Freunde, eine Frau
1962 drehte der großartige François Truffaut eines der Meisterwerke der Filmgeschichte: Jules und Jim. Die Geschichte zweier Freunde, die sich in dieselbe Frau verliebt haben, die aber jahrelang ihre Freundschaft verteidigt haben, faszinierte und fasziniert immer noch Zuschauer jeden Alters. Abgesehen von der Meisterschaft, mit der der Film gemacht wurde, abgesehen von den hervorragenden Leistungen der ProtagonistInnen, müssen wir erkennen, dass Dreiecksbeziehungen schon immer eine gewisse Faszination auf ZuschauerInnen und LeserInnen jeden Alters ausgeübt haben. Gleiches gilt für Freunde, einen Spielfilm von E. W. Emo aus dem Jahr 1945, in dem eine langjährige Freundschaft ausgerechnet durch die Liebe zu einer Frau gefährdet wird.
Gottfried (gespielt von Attila Hörbiger) und Guido (Ferdinand Marian) sind seit der Schule befreundet. Während eines Aufenthalts in Gottfrieds Haus verliebt sich Guido in dessen Cousine und erregt damit die Eifersucht seines Freundes. Nach einem Streit zwischen den beiden wird aus Versehen eine Schrotflinte abgefeuert und Guido verliert ein Auge. Nach diesem Unfall beschließen die beiden, dass keine Frau ihre Freundschaft jemals zerstören wird. Das ändert sich jedoch viele Jahre später, als die charmante Alix (Hana Vítová) in ihr Leben tritt.
Freunde ist also die Geschichte einer langjährigen Freundschaft, aber auch von gequälten Liebesbeziehungen. Eine lange Rückblende enthüllt die Vergangenheit von Guido und Alix, während wir gleichzeitig die Spannungen im Haus von Gottfried (der Alix selbst heiraten will) miterleben, als die beiden ehemaligen Liebenden sich treffen. Ganz im Sinne der österreichischen Filmografie jener Jahre inszeniert Freunde ein Liebesdrama, in dem jedoch kein Bezug zum gerade zu Ende gegangenen Krieg genommen wird. Die Geschichte der drei ProtagonistInnen ist in den 1940er Jahren angesiedelt, könnte aber in jeder Epoche spielen. Angesichts dieser universellen Konnotationen konzentriert sich das Drama ausschließlich auf die Gefühle der Figuren und stellt ihre Erinnerungen, ihre inneren Konflikte und ihre Rachsucht in den Vordergrund.
Besonders bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die intensiven Großaufnahmen ihrer Gesichter sowie die Aufnahmen von Gegenständen, die in der Geschichte eine entscheidende Rolle spielen, oder von Orten, die sofort zum Schauplatz der wichtigsten Momente werden. E. W. Emo – einer der wenigen Regisseure, die während des Zweiten Weltkriegs in Österreich geblieben waren – spezialisierte sich auf solche Dramen, in denen sich alles ausschließlich um die Figuren drehte, oft zu Lasten eines „wichtigen“ historischen Kontextes. Ebenso stellen wir fest, dass es in Freunde praktisch keine Nebenhandlung und keinen Versuch gibt, das Ganze „leichter“ zu machen.
Doch die Geschichte dieser Dreiecksbeziehung ist zweifelsohne spannend. Und das vor allem dank einer klassischen und unprätentiösen Inszenierung, dank wichtiger moralischer Dilemmas, die nie banal behandelt werden, und dank dreier großartiger SchauspielerInnen, die, jede/r auf seine/ihre Art, österreichische (und weltweite) Filmgeschichte gemacht haben. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass Freunde in jeder Hinsicht ein zeitloser Spielfilm ist. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass die drei ProtagonistInnen auf der Leinwand lebendiger denn je wirken.
Titel: Freunde
Regie: E. W. Emo
Land/Jahr: Österreich, Deutschland / 1945
Laufzeit: 88’
Genre: Drama, Liebesfilm
Cast: Attila Hörbiger, Ferdinand Marian, Hana Vítová, Rudolf Reiff, Norbert Rohringer, Sonja Ziemann, Hilde von Stolz, Rudolf Stadler, Ernst Reitter, Wilhelm Schmidt, Hermann Erhardt, Elisabeth Grietsch, Rudolf Rab
Buch: Gerhard Menzel
Kamera: Hans Schneeberger
Produktion: Wien Film