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PRATER

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von Ulrike Ottinger

Note: 8.5

Ulrike Ottingers Prater ist eine Achterbahnfahrt, eine Fahrt auf vielen Karussells, ein wahres Seherlebnis. Vergangenheit und Gegenwart treffen aufeinander, „kollidieren“ und verschmelzen zu einer einzigen Realität.

Wiens Erbe

Wer hätte zu Zeiten der k.u.k.-Monarchie gedacht, dass das kaiserliche Jagdrevier einmal eines der Wahrzeichen Wiens, aber auch ein beliebter Treffpunkt für Bürgerinnen und Bürger jeden Alters werden würde? Wien ist ohne den Prater, den weltberühmten Vergnügungspark mit seinem Riesenrad, nicht denkbar. Erwachsene und Kinder strömen täglich in den Prater, wo man sich auf den zahlreichen Attraktionen austoben, aber auch bei einem Spaziergang entlang der Prater-Hauptallee entspannen oder eine traditionelle österreichische Mahlzeit einnehmen kann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden im Prater die ersten Pavillons für Filmvorführungen errichtet (die nach dem Brand von 1945 leider nie wieder aufgebaut wurden), und im Laufe der Jahre wurden hier viele, viele Filme und Dokumentationen gedreht. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der 2007 von Ulrike Ottinger gedrehte Dokumentarfilm Prater, der eine farbenfrohe Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart darstellt, uns knapp zwei Stunden lang in eine magische Welt entführt und uns alle wieder wie Kinder fühlen lässt.

Prater überlässt das Wort sehr oft den Bildern. Eine stumme Puppe begrüßt uns sofort im Vergnügungspark. Furchteinflößende Monster, die ausschließlich von unten gefilmt werden, erschrecken uns, faszinieren uns aber gleichzeitig ziehen uns in ihre „Höhlen“. Dann beginnt man sich langsam in diese verzauberte Welt hineinzuversetzen, auch dank zahlreicher Zeugnisse, Geschichten von Menschen, die seit Generationen im Prater leben und arbeiten, und Texten, die Elfriede Jelinek, Elias Canetti und Josef von Sternberg zu diesem Anlass geschrieben haben.

Prater ist eine Achterbahnfahrt, eine Fahrt auf vielen Karussells, ein wahres visuelles Erlebnis. Vergangenheit und Gegenwart treffen aufeinander, „kollidieren“ und verschmelzen zu einer Einheit. Das Schweizerhaus, ein renommiertes Restaurant, das von kaiserlichen Jägern gegründet wurde, serviert ausgezeichnetes Bier. Die Nachkommen des „Mannes ohne Torso“ erzählen der Kamera, wie ihr Großvater eine Reihe von Pavillons eröffnete. Schaurige Wachsfiguren sorgen für die richtige Mischung aus Grusel und Staunen und erinnern fast an die Atmosphäre der Filme von Tod Browning.

Ulrike Ottinger wertet jede Geschichte ihrer Protagonisten auf, lässt aber gleichzeitig viel Raum für Bilder aus dem Alltag, Bilder vom Spielen, Lachen und Staunen. Mitreißende Musik bereichert alles, und auf der großen Leinwand hat man sofort den Eindruck, an diesen wunderbaren Orten zu sein, die durch Bilder erzählt werden. Orte, an denen man seiner Fantasie freien Lauf lassen kann, an denen Bilder, Farben und Geräusche eine perfekte Harmonie bilden, die in diesem wichtigen Dokumentarfilm von Ulrike Ottinger gekonnt und gut strukturiert auf die Leinwand gebracht werden. Es gibt immer Zeit zum Wachsen. Das Wichtigste ist, dass man nie vergisst, Kind gewesen zu sein.

Titel: Prater
Regie: Ulrike Ottinger
Land/Jahr: Österreich, Deutschland / 2007
Laufzeit: 107’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Ulrike Ottinger
Kamera: Ulrike Ottinger
Produktion: Kurt Mayer Film, Ulrike Ottinger Filmproduktion, Westdeutscher Rundfunk

Info: Die Seite von Prater auf der Webseite von Ulrike Ottinger; Die Seite von Prater auf iMDb; Die Seite von Prater auf der Webseite der Austrian Film Commission