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von Jola Wieczorek
Note: 7.5
Jola Wieczorek erzählt in ihrem Film Stories from the Sea viele verschiedene Geschichten mit besonderer Sensibilität und Lyrik. Die Kamera der Regisseurin schenkt uns eindrucksvolle Bilder, die durch das elegante Schwarz-Weiß noch wertvoller und zeitloser wirken. Auf der Viennale 2021.
Alle Gesichter des Meeres
Das Mittelmeer und seine unendlichen Geheimnisse. Das Mittelmeer ist reich an Kultur, an Geschichte, an Geschichten. Was sich im Mittelmeer tagtäglich abspielt, ist etwas Einzigartiges und Wertvolles. Und drei dieser Geschichten erzählt uns zum Beispiel die junge Regisseurin Jola Wieczorek in ihrem Dokumentarfilm Stories from the Sea, der anlässlich der Viennale 2021 in Österreich uraufgeführt wurde.
Jessica arbeitet als Matrosenlehrling auf einem Frachtschiff – der Johanna Borchard – und hat bereits dreißig Mal das Mittelmeer befahren. Sie wählte diesen besonderen Beruf – der immer noch als reiner Männerberuf gilt -, um ihrem Onkel nachzueifern, der starb, als sie noch ein Kind war. Amparo hingegen kommt aus Valencia und hat eine Leidenschaft für Kreuzfahrten. Früher reiste sie mit ihrem Mann auf einem Schiff durch die Welt, und jetzt, da sie verwitwet ist, reist sie allein weiter. Zur gleichen Zeit reist auf einem anderen Schiff – der Viva & Tanimar – eine große Gruppe von Menschen, um eine neue Erfahrung zu machen, Leute zu treffen, ein neues Leben zu entdecken.
All diese Geschichten werden in Stories from the Sea mit besonderer Sensibilität und Lyrik erzählt. Die Kamera der Regisseurin, die von Kameramann Serafin Spitzer geführt wird, schenkt uns Bilder von großer Wirkung, die durch das elegante Schwarz-Weiß noch wertvoller und zeitloser werden. Jede Geschichte hat ihre eigenen Merkmale, aber gleichzeitig verbindet sie vor allem der starke, sehr starke Wunsch, sich in einer Art Nicht-Ort wiederzufinden, an einem Ort, der es jedem erlaubt, zu wachsen, nachzudenken, inneren Frieden zu finden und – warum nicht? – sogar Spaß haben.
So wirkt der Dokumentarfilm fast wie eine Art Bewusstseinstrom. Ein Bewusstseinsstrom, der im ersten Teil perfekt dreigeteilt ist und dann, dank einer geschickten Parallelmontage, jede der drei Geschichten zu einer Art Chor werden lässt. Ein Chor, der die Melodie des Mittelmeers singt. So wie der Klang der Saiten einer kleinen Gitarre, die vom Wind bewegt werden, während sich das Schiff auf hoher See befindet.
Stories from the Sea braucht nichts weiter. Sogar die Bildunterschriften sind auf ein Minimum beschränkt. Die Bilder sprechen für sich selbst, und die Kamera folgt jedem Protagonisten getreu. Das Leben eines jeden von ihnen entfaltet sich vor unseren Augen, und Momente harter Arbeit wechseln sich ab mit Abenden, die vor dem Computer verbracht werden, um die neueste Folge einer Serie anzuschauen, mit einem Plausch mit Freunden, aber auch mit Momenten der Entspannung beim Blick aus dem Bullauge, wenn die Erinnerungen an vergangene Tage auch eine gewisse Melancholie vermitteln. Jola Wieczorek hat in diesem interessanten Debüt nach einer Reihe von Kurzfilmen eine außergewöhnliche Sensibilität und große Regiereife bewiesen. Ihr Stories from the Sea ist eine Reise zu fernen Zielen, die uns unweigerlich wieder mit uns selbst in Kontakt bringt. Ein frischer Wind, der uns amüsiert, zum Nachdenken anregt und uns bewegt.
Titel: Stories from the Sea
Regie: Jola Wieczorek
Land/Jahr: Österreich / 2021
Laufzeit: 86’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Jola Wieczorek
Kamera: Serafin Spitzer
Produktion: Fahrenheit Films