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von Norbert Pfaffenbichler
Note: 8
Wird es jemals Hoffnung auf Erlösung für diejenigen geben, die am Rande der Gesellschaft leben? Norbert Pfaffenbichler scheint davon eine klare Vorstellung zu haben. Aber vielleicht kann nur Liebe uns alle retten. Und das tut sie in 2551.01 auf eine Art und Weise, die niemals banal oder vorhersehbar ist, sondern jede mögliche Rhetorik gekonnt vermeidet. Inspiriert von Charlie Chaplins The Kid und präsentiert bei der Diagonale 2021.
Masken
Ein Landstreicher findet zufällig ein ausgesetztes Baby. Anfänglich widerwillig, entscheidet er sich später, das Kind bei sich zu behalten. Der Anfang dieser zeitlosen Geschichte ist wohlbekannt. Es handelt sich um den Film The Kid, den der großartige Charlie Chaplin 1921 inszenierte und der im Laufe der Jahre viele Filmemacher inspiriert hat. Zu ihnen gehört Norbert Pfaffenbichler, der mit seinem Spielfilm 2551.01 – Premiere bei der Diagonale 2021 in der Reihe Innovatives Kino – eine freie Neuverfilmung von Chaplins Film geschaffen hat, die in einer dystopischen Unterwelt spielt, in der diejenigen, die am Rande der Gesellschaft leben, als „Monster“ gelten und ständig Masken tragen.
So auch der Protagonist von 2551.01. Der Mann trifft bei einem Streit mit der Polizei zufällig ein Kind und beschließt, es mitzunehmen. Die beiden werden also eine Reise beginnen, die nicht ohne Tücken in die Unterwelt der Stadt führt.
Inspiriert nicht nur von Chaplins Meisterwerk, sondern auch von Tod Brownings Filmen und von Slapstick-Komödien, entschied sich Norbert Pfaffenbichler für eine dialogfreie Inszenierung, in der psychedelisches Licht, feine Überblendungen, bedeutungsvolle Nahaufnahmen von maskierten und blutverschmierten Gesichtern sowie beengte und schmutzige Umgebungen, Gefängnisse, lange Gänge und psychiatrische Kliniken, deren befremdliche Wirkung durch Überkopf- und Weitwinkelaufnahmen noch unterstrichen wird, eine Hauptrolle spielen.
Diejenigen, die am Rande der Gesellschaft leben, werden von allen als „böse“ angesehen, während die „Guten“ immer in Weiß gekleidet sind, auch wenn wir in 2551.01 ihre Gesichter nicht sehen dürfen. Doch Norbert Pfaffenbichler weiß genau, mit wem er sympathisiert. Dies zeigt sich in der Beziehung zwischen dem Protagonisten und dem Kind, die besonders rein, aufrichtig und liebevoll ist. Es geht um zwei einsame Menschen, die sich treffen, die sich lernen, die sich gegenseitig „erkennen“. Und zusammen können sie sich endlich der Welt stellen. Doch welche Fallstricke hält das Schicksal für sie bereit?
Norbert Pfaffenbichler hat in diesem wichtigen Film ein wahres Crescendo der Gefühle geschaffen, indem er den Epilog der Geschichte auf eine Episode verschiebt, die uns in einem zweiten Schritt gezeigt werden wird. Und in der Tat können wir es kaum erwarten, zu erfahren, welche weiteren Wendungen die Geschichte der zwei Protagonisten nehmen wird. Es ist eine zärtliche, aber auch zutiefst schmerzhafte Geschichte, die durch eine feine Inszenierung und durch Bilder, die der Regisseur zusammen mit dem Kameramann Martin Putz bis ins kleinste Detail studiert hat, noch wertvoller wird. Beunruhigende Kinderspiele, menschliche Körperteile, die als Speisen serviert werden, und Folterungen aller Art treiben das Wesen der Welt, in der die beiden Protagonisten leben, auf die Spitze. Wird es jemals Hoffnung auf Erlösung für diejenigen geben, die am Rande der Gesellschaft leben? Norbert Pfaffenbichler scheint davon klare Vorstellungen zu haben. Aber vielleicht kann nur Liebe uns alle retten. Und das tut sie in 2551.01 auf eine Art und Weise, die niemals banal oder vorhersehbar ist und jede mögliche Rhetorik gekonnt vermeidet.
Titel: 2551.01
Regie: Norbert Pfaffenbichler
Land/Jahr: Österreich / 2020
Laufzeit: 65’
Genre: Experimentalfilm
Cast: Stefan Erber, David Ionescu
Buch: Norbert Pfaffenbichler
Kamera: Martin Putz
Produktion: Norbert Pfaffenbichler