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HOLOCAUST UND ÖSTERREICHISCHER FILM – OFFENE WUNDEN

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Holocaust und österreichischer Film bilden heute ein Binom, das zweifellos viel weniger verbreitet ist als Holocaust/deutscher Film ist, auch wenn dieses Thema eine Konstante innerhalb der nationalen Filmproduktion ist.

Niemals vergessen

Als in der Oscar-Nacht 2008 der Spielfilm Die Fälscher als Bester Fremdsprachiger Film ausgezeichnet wurde (der erste Oscar für Österreich), dachte der Regisseur Stefan Ruzowitzky in seiner Dankesrede an all jene österreichischen Filmemacher, die aufgrund des aufkommenden Nationalsozialismus ihre Heimat verlassen mussten, um ihren Beruf frei ausüben zu können. Dazu gehören Billy Wilder, Fred Zinnemann und Otto Preminger, um nur einige zu nennen. Doch während diese Regisseure in den Vereinigten Staaten erfolgreich waren, war die nationalsozialistische Diktatur entscheidend für die Entwicklung und Verbreitung des österreichischen Films. Ebenso stellen Holocaust und österreichischer Film heute eine Kombination dar, die zweifellos viel weniger verbreitet ist als Holocaust/deutscher Film, auch wenn dieses Thema eine Konstante innerhalb der nationalen Filmproduktion ist. Aber um die Thematik optimal zu analysieren, müssen wir in der Zeit zurückgehen.

Die Stadt ohne Juden, 1924 unter der Regie von Hans Karl Breslauer entstanden, gilt heute als ein echter Meilenstein des österreichischen Films. Der Film entstand zwar einige Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Aufkommen Hitlers, dennoch schildert diese amüsante und intelligente Verwechslungskomödie die damaligen Lebensumstände der Juden. Der Film, der auf dem gleichnamigen Roman von Hugo Bettauer basiert, kam wenige Monate vor der Veröffentlichung von Adolf Hitlers Mein Kampf in die Kinos und erwies sich als ziemlich zukunftsweisend, bis zu dem Punkt, an dem er mehrere Fragen aufwarf. Leider hatte Bettauer selbst ein viel traurigeres Schicksal: Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Films wurde der Autor auf mysteriöse Weise erschossen. Kurz gesagt: Schon in der Stummfilmzeit stellten Holocaust und österreichischer Film für die damalige Obrigkeit etwas „Unbequemes“ dar.

Doch was geschah nach dem Beginn der nationalsozialistischen Diktatur? Nach dem „Anschluss“ 1938 traten auch in Österreich zahlreiche Regelungen in Kraft, die eine starke Zensur der nationalen Kulturproduktion vorsahen. Das Gleiche galt für die Filmindustrie, die stark von der Diktatur beeinflusst wurde. In dieser Zeit galt es nämlich, der Welt das Bild eines glücklichen, wohlhabenden Österreichs zu vermitteln, in dem Wohlstand an der Tagesordnung war und in dem die Kultur regierte, ungeachtet dessen, was zur gleichen Zeit geschah. Neben zahlreichen Propagandafilmen – viele davon wurden in der Wochenschau ausgestrahlt – lag der Schwerpunkt auf Liebesfilmen oder Musik- und Kostümkomödien – dem sogenannten Wiener Film -, in dem die Figur der Frau, die auf die Rückkehr ihres Mannes von der Front wartet, fast eine Konstante war. Ein besonders interessantes Beispiel ist der Film Heimkehr, bei dem Gustav Ucicky 1941 Regie führte und in dem eine hervorragende Paula Wessely die Hauptrolle spielte. Wessely wurde, wie viele ihrer in der Heimat gebliebenen Kollegen – darunter ihr Mann Attila Hörbiger, sein Bruder Paul Hörbiger und der großartige Hans Moser – von der Regierung hoch geschätzt und erhielt deshalb zahlreiche Privilegien. Dies sollte jedoch unmittelbar nach dem Krieg ein Nachspiel haben, als zahlreiche in Österreich (und Deutschland) verbliebene Künstler der Kollaboration mit der nationalsozialistischen Diktatur bezichtigt wurden.

Während des Zweiten Weltkrieges erlitt der österreichische Film jedoch trotz der großen Anzahl an Filmen qualitativ gesehen einen Rückschlag. Und wenn man bedenkt, dass es zumindest bis in die achtziger Jahre nicht üblich war, viel in die Filmindustrie zu investieren, beeinflusste dies unweigerlich die gesamte nationale Filmproduktion der kommenden Jahre. Die Künstler haben jedoch nie gezögert, sich zu Wort zu melden.

Holocaust und österreichischer Film sind daher zwar kein übermäßig wiederkehrendes Thema in Österreich, koexistieren aber vor allem in den Werken vieler Exponenten des in den 1960er Jahren geborenen österreichischen Sozialtheaters – deren führende Namen Thomas Bernhardt, Efriede Jelinek und Peter Turrini sind -, in den zahlreichen Kabarettprogrammen und sogar in vielen Kunstwerken des Wiener Aktionismus. In diesen besonderen Zusammenhängen wurde neben dem Krieg und der Hässlichkeit der nationalsozialistischen Diktatur vor allem eine starke Kritik an der damaligen Gesellschaft inszeniert, die sich eines spürbaren „latenten Faschismus“ schuldig machte.

Und was hat sich in der Zwischenzeit im Filmbereich getan? Wie bereits erwähnt, gibt es im Gegensatz zu dem, was in Deutschland geschah – und immer noch geschieht -, zumindest bis heute nicht viele österreichische Filme, die sich mit dem Thema Nationalsozialismus und Holocaust auseinandersetzen. Und neben Spielfilmen wie Die Fälscher von Stefan Ruzowitzky, Nebel im August (Kai Wessel, 2016), Kleine große Stimme (Wolfgang Murnberger, 2015) und dem exzellenten Murer – Anatomie eines Prozesses (Christian Frosch, 2018) – um nur einige Titel zu nennen – gibt es vor allem zahlreiche Dokumentarfilme, die die damalige Situation beschreiben und sich von Zeit zu Zeit auf einen bestimmten Aspekt oder eine bestimmte Figur konzentrieren. Und tatsächlich sehen Holocaust und österreichischer Film im Dokumentarfilm ihre maximale Umsetzung. Zu den bemerkenswertesten Werken zählen Der Anständige (Vanessa Lapa, 2014), Die Kinder von Etzelsdorf (Carola Mair, 2006), Liebe war es nie (Maya Sarfaty, 2020) und vor allem Der letzte der Ungerechten (2013) unter der Regie von Meister Claude Lanzmann. Es handelt sich um eine Reihe von Filmen, die die Erinnerung an das wachhalten sollen, was gewesen ist und was auch heute noch den Alltag vieler von uns beeinflusst. Und tatsächlich konnte die Filmwelt nicht tatenlos zusehen.

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