ein-bisschen-bleiben-wir-noch-2020-riahi-kritik

EIN BISSCHEN BLEIBEN WIR NOCH

      Keine Kommentare zu EIN BISSCHEN BLEIBEN WIR NOCH

This post is also available in: Italiano (Italienisch) English (Englisch)

von Arash T. Riahi

Note: 6

In Ein bisschen bleiben wir noch wird ein nicht überzeugender Regieansatz von einer hervorragenden Charakterisierung der Figuren und einem willkommenen märchenhaften Touch begleitet. Alles zusammen ergibt eine dramatische Geschichte, in der die Hoffnung eine zentrale Rolle spielt und in der manchmal das Brechen von Regeln wirklich die beste Entscheidung sein kann, die man je treffen kann.

Auf der Suche nach verlorenen Lächeln

Was bedeutet es für ein Kind, wenn es gezwungen wird, vorzeitig erwachsen zu werden? Welche Probleme können aus Situationen entstehen, die es Kindern nicht erlauben, friedlich zu leben? Dies ist kein einfaches Thema, mit dem man umgehen kann. Und doch, wenn die richtige Lösung gefunden wird, ergeben sich viele interessante Ideen. Das also hat Regisseur Arash T. Riahi – trotz einiger Unzulänglichkeiten – bei Ein bisschen bleiben wir noch getan, das auf dem Roman Oskar und Lilli von Monika Helfer basiert und zum Programm der wegen der Pandemie abgesagten Diagonale 2020 gehören sollte.

Jedenfalls kam nach dem Ende des Lockdowns Ein bisschen bleiben wir noch in Österreich endlich in die Kinos. Publikum und Kritiker fühlten sofort mit dem jungen Oskar (gespielt von Leopold Pallua) und Lilli (eine hervorragende Rosa Zant) mit, einem acht- und dreizehnjährigen Geschwisterpaar aus Tschetschenien, das nach einem Selbstmordversuch der Mutter zwei verschiedenen Familien anvertraut und vorübergehend getrennt wird. Deshalb wird ihr größter Wunsch sein, wieder vereint zu sein, um die Familie zu werden, die sie einst waren.

Zwei untrennbar verbundene Leben, deren Kindheit zu früh endete. Diese besondere Verbundenheit steht im Mittelpunkt in Ein bisschen bleiben wir noch. Eine Verbundenheit, die oft durch geflochtene Schnürsenkel, bunte Plüsch-Handschellen und eine ständige, verzweifelte Suche nach Gelassenheit unterstrichen wird, die die beiden Brüder verbindet und sich in ständigen Reproduktionen von lächelnden Gesichtern manifestiert, mal mit einfachen Zeichnungen, mal mit Erbsen aus der Dose und Apfelscheiben auf einem Teller.

Oskar und Lilli scheinen ihre Gelassenheit zunächst für immer verloren zu haben. Nach einem anfänglichen Moment der Verzweiflung wird Oskar plötzlich erwachsen und behält dabei eine gesunde spielerische Haltung. Er wird derjenige sein, der sich um seinen jungen Bruder und seine Adoptivgroßmutter kümmert. Er wird versuchen, mit seiner Mutter, die in einer psychiatrischen Klinik eingesperrt ist, durch lange Briefe zu kommunizieren. Lilli scheint alles und jeden abzulehnen. Sie tröstet sich nur mit ihrer Klassenkameradin und nachts, wenn alle schlafen, kratzt sie sich nervös am Arm, bis es blutet.

Zwei zweifellos gut geschriebene Charaktere, die ihre ideale Erfüllung in bestimmten Beziehungen zu einigen Mitgliedern ihrer Adoptivfamilien sehen: Lilli mit ihrer Stiefmutter, Oskar mit seiner älteren, an Parkinson erkrankten Großmutter, seiner einzigen, wahren Freundin.

Doch während die Geschichte der beiden Kinder – obwohl sie nichts besonders Neues darstellt – insgesamt von den ersten Minuten an fesselnd ist, sind bestimmte Regieentscheidungen nicht immer überzeugend. Schräge Kameraeinstellungen sollen das starke Gefühl der Orientierungslosigkeit der beiden Protagonisten vermitteln, erweisen sich aber gleichzeitig als übertrieben manieriert und oft unnötig. Wenn man an die Filmografie von Arash T. Riahi zurückdenkt und nicht nur an Ein bisschen bleiben wir noch, fällt auf, dass der Filmemacher eher im Schreiben als in der Regie erfolgreich ist. Das ist bei vielen seiner früheren Spielfilme der Fall gewesen und es ist auch bei Ein bisschen bleiben wir noch der Fall, wo ein nicht immer überzeugender Regieansatz von einer hervorragenden Charakterisierung der Figuren und einem willkommenen märchenhaften Touch begleitet wird. Alles zusammen ergibt eine dramatische Geschichte, in der Hoffnung eine zentrale Rolle spielt und in der das Brechen der Regeln, um eine Nacht mit der Familie in einem Luxushotel zu verbringen, die beste Entscheidung sein kann, die man treffen kann.

Titel: Ein bisschen bleiben wir noch
Regie: Arash T. Riahi
Land/Jahr: Österreich / 2020
Laufzeit: 102’
Genre: Drama
Cast: Leopold Pallua, Rosa Zant, Anna Fenderl, Christine Ostermayer, Markus Zett, Alexandra Maria Nutz, Simone Fuith, Rainer Wöss, Ines Miro, Viktor Krüger, Sonja Romei, Alice Marie Schneider
Buch: Arash T. Riahi
Kamera: Enzo Brandner
Produktion: Wega Filmproduktion

Info: Die Seite von Ein bisschen bleiben wir noch auf iMDb; Die Seite von Ein bisschen bleiben wir noch auf der Webseite der Diagonale; Die Seite von Ein bisschen bleiben wir noch auf der Webseite der Austrian Film Commission