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von Iliana Estaňol und Johanna Lietha
Note: 8
Lovecut ist sehr vom französischen Film inspiriert und erinnert fast an die Filme von Catherine Breillat oder Arnaud Desplechin. Gleichzeitig schafft der Film aber auch eine ganz intime und persönliche Dimension, in der jeder der jungen Protagonisten aufrichtig und tiefgründig charakterisiert wird.
Das schwierige Alter
Lovecut ist vor allem ein Film über Unkommunizierbarkeit. Unkommunizierbarkeit zwischen Eltern und Kindern sowie Unkommunizierbarkeit zwischen Gleichaltrigen und Unkommunizierbarkeit aufgrund von Technologien und sozialen Netzwerken. Und wie man sich gut vorstellen kann, erweist sich dieses interessante Coming-of-Age von Iliana Estaňol und Johanna Lietha – erstere Mexikanerin, letztere Schweizerin – sofort als ideenreich. Der Film sollte eigentlich Teil der
Facebook, Skype, Tinder spielen eine zentrale Rolle im Alltag von sechs jungen Menschen, die in einem Vorort von Wien leben. Anna und Jakob sind verliebt und fangen zum Spaß an, einige ihrer Sexvideos online zu veröffentlichen. Als sie anfangen, Geld zu verdienen, haben die beiden das Ziel, eine bestimmte Summe zu sammeln, um gemeinsam ein Zimmer mieten zu können und von ihren Familien wegzukommen. Alex ist Jakobs Halbbruder und seit einiger Zeit hat er über Skype Kontakt zu Momo, mit dem er sich sehr gut versteht. Er zögert jedoch, sie persönlich zu treffen, da sie noch nicht weiß, dass er durch einen Autounfall querschnittsgelähmt wurde. Auch Luka, Momos beste Freundin, will keine Beziehung mit Ben anfangen, den sie auf Tinder kennengelernt hat, weil sie nicht so enden will wie ihre Eltern, die sich ständig streiten.
Täuschung, Lügen, Bedürfnis nach Zuneigung. So vergeht der Sommer der sechs jungen Protagonisten, von denen jeder nicht in der Lage ist, einen Treffpunkt mit denen zu finden, die ihn lieben, von denen jeder den starken Wunsch hat, sein Leben zu ändern und weit weg zu laufen.
Jakob ist immer weniger bereit, Sex-Tapes zu drehen, während seine Freundin Anna ihn nur ausnutzt, um an das Geld zu kommen, das sie braucht, um von zu Hause wegzukommen. Momo will um jeden Preis zum ersten Mal Liebe machen, Alex braucht nur jemanden, der ihn versteht. Luka erzählt Ben Lügen über ihr Leben und ihre Vergangenheit; Sie will wie er endlich allein leben, weg von ihrer Familie.
Doch in Lovecut kontrastiert die ewige Rastlosigkeit der Charaktere mit der außergewöhnlichen Ruhe der Wiener Vorstädte und der Donauinsel, wo warme Sommernachmittage am Donauufer auch für ein paar Stunden die inneren Qualen vergessen lassen und die jungen Menschen zu mehr Aufrichtigkeit ermutigen können. Die außergewöhnliche Empfindsamkeit von Iliana Estaňol und Johanna Lietha lässt uns das wahre Wesen eines jeden von ihnen voll verstehen. Und beide Regisseurinnen beobachten, ohne zu urteilen, aber sie betrachten die sechs Protagonisten auf eine nachsichtige, wohlwollende, äußerst liebevolle Weise.
Titel: Lovecut
Regie: Iliana Estañol, Johanna Lietha
Land/Jahr: Schweiz, Österreich / 2020
Laufzeit: 94’
Genre: Coming-of-age, Chorfilm, Drama
Cast: Sara Toth, Kerem Abdelhamed, Max Kuess, Luca von Schrader, Melissa Irowa, Valentin Gruber, Doris Schretzmayer, Marcel Mohab, Raphaela Gasper, Alexander Jagsch, Stefan Loibner, Karola Maria Niederhuber, Vitus Wieser
Buch: Iliana Estañol, Johanna Lietha
Kamera: Georg Geutebrück, Steven Heyse
Produktion: Silverio Films, Everything Is Film