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von Ruth Beckermann
Note: 8.5
Homemad(e) ist ein wertvolles Zeugnis einer vergangenen und einer gegenwärtigen Welt. Eine Reise durch die Wiener Geschichte des 20. Jahrhunderts durch eine Reihe von Bildern, Gesichtern und Zeugnissen derer, die, eingedenk einer schmerzhaften Vergangenheit, beschlossen haben, ihre Geschichte zu erzählen und die Geschichte von Wien zu erzählen, das im Begriff ist, ein neues Jahrtausend zu betreten.
Eine kleine Welt im Stadtzentrum von Wien
Es gibt eine kleine Straße im Stadtzentrum von Wien, in der die Zeit stillzustehen scheint. In dieser kleinen Straße – die Marc-Aurel-Straβe – gibt es zahlreiche Geschäfte, die schon seit mehreren Jahrzehnten bestehen. Das sind die Unternehmen, von denen Ruth Beckermann in ihrem Dokumentarfilm
Die Regisseurin – eine der bedeutendsten österreichischen Dokumentarfilmerinnen – wohnt genau in dieser Straße, nur wenige Schritte vom Donaukanal und dem Stephansdom entfernt. Alles, was sie tun musste, war, ihr Haus zu verlassen, um sich auf eine Reise durch die Geschichte des Wiens des 20. Jahrhunderts zu begeben, und zwar durch eine Reihe von Bildern, Gesichtern und Zeugnissen derer, die eine schmerzhafte Vergangenheit durchlebt haben und beschlossen haben, ihre Geschichten zu erzählen und die Geschichte eines Wiens zu erzählen, das im Begriff ist, in ein neues Jahrtausend einzutreten.
Homemad(e) ist ein wertvolles Zeugnis einer vergangenen und einer gegenwärtigen Welt. In dieser Straße haben Kaufleute jüdischer oder persischer Herkunft wichtige historische Ereignisse hautnah miterlebt. Mit außerordentlicher Ruhe hörte sich die Regisseurin die Geschichten eines jeden von ihnen an. So werden die täglichen Aktivitäten der Ladenbesitzer und die Pausen beim Café Salzgries von Dichtern, Filmemachern und Rentnern mit einem nostalgischen und kontemplativen Ansatz dokumentiert, der uns Teil einer Welt fühlen lässt, die den meisten Menschen bis vor kurzem noch unbekannt war.
Es mangelt bei Homemad(e) nicht an rührenden Szenen (zum Beispiel, wenn sich eine Dame nostalgisch an ihre Jugend erinnert), dramatischen Momenten (darunter die Geschichten derjenigen, die im Zweiten Weltkrieg als Juden verfolgt wurden) oder auch an ironischen und witzigen Situationen (die Beziehung zwischen dem Tuchhändler Doft und seiner Frau ist ein Beispiel dafür).
Ruth Beckermann ist es gelungen, mit einer direkten und musikfreien Inszenierung ein lebendiges und pulsierendes Porträt dieser kleinen Realität zu zeichnen. Eine Realität, in der es Momente der Melancholie gibt, in der aber, wenn der Tag zu Ende geht, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft immer als letzte zu sterben scheint. Trotz aller Schwierigkeiten. Trotz des latenten Rassismus, der in der Gesellschaft, in der wir leben, immer noch zu präsent ist. Und vor allem, obwohl dieser Rassismus es ermöglichte, dass Jörg Haider an die Macht kam.
Doch der Optimismus der Bewohner der Marc-Aurel-Straβe triumphiert immer. Zusammen mit dem Dokumentarfilm
Titel: Homemad(e)
Regie: Ruth Beckermann
Land/Jahr: Österreich / 2001
Laufzeit: 85’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Ruth Beckermann
Kamera: Nurith Aviv, Ruth Beckermann, Peter Roehsler
Produktion: Ruth Beckermann