This post is also available in:
Italiano (Italienisch)
English (Englisch)
von Jessica Hausner
Note: 7.5
Das Schlussbild des Kurzfilms Flora – mit der Protagonistin, die einem unbekannten Ziel entgegenläuft – hat viele Parallelen zu Lovely Rita. Hier aber wird alles extremisiert, alles ist schmerzhafter, realer. Und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft scheint nur noch eine vage Erinnerung zu sein.
In Ritas Welt
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Regisseurin Jessica Hausner an dem Coming-of-Age-Genre versucht. Und während sie 1996 mit dem Kurzfilm
Genau wie die junge Flora ist auch Rita (gespielt von einer außergewöhnlichen Barbara Osika) ein fünfzehnjähriges Mädchen, das sich sowohl in der Schule als auch in ihrer Familie ausgegrenzt fühlt. Sie fühlt sich in der Realität, in der sie lebt, nicht wohl und würde gerne versuchen, jemand anderes zu sein oder weit weg zu laufen. Diese Unruhe zieht sich durch den gesamten Spielfilm. Im Hintergrund: Eine kleinbürgerliche Familie und eine Gesellschaft, in der die Religion eine zentrale Rolle in der Erziehung der jungen Menschen spielt.
Rita entdeckt langsam ihre Sexualität. Und das tut sie zuerst mit einem Nachbarn in schlechter Gesundheit, der ihr jüngerer Bruder sein könnte, dann mit dem Busfahrer, der sie jeden Morgen zur Schule fährt, der sogar ihr Vater sein könnte. Hinter jedem seiner Verhaltensweisen verbirgt sich der Wunsch, dem familiären Umfeld zu entkommen, in dem sich nächtliche Streitereien zwischen den Eltern mit unwichtigen Gesprächen abwechseln.
Jessica Hausner hat sich bei Lovely Rita für eine extrem direkte Inszenierung. Eine Inszenierung, bei der die einzige Musik rein diegetisch ist. Eine Inszenierung, die durch einen raschen Schnitt und durch plötzliche Zooms auf das Gesicht der Protagonistin jedes Mal, wenn etwas passiert, das eine gewisse Relevanz innerhalb ihres Wachstumsweges zu haben scheint, bereichert wird. Rita wird hier mit Zuneigung und Empathie, aber auch mit der nötigen Distanziertheit beobachtet. Ihre Welt könnte auch die Welt von tausenden anderen Jugendlichen sein, die in den Vorstädten leben.
Besonders bemerkenswert ist das Umfeld: Die Vorstädte Wiens scheinen die junge Rita weiter vom Rest der Welt isolieren zu wollen. So wie es bei ihr zu Hause oder in ihrem Klassenzimmer geschieht. Eine interessante Parallele zur Adoleszenz, die hier eher als ein Moment an sich denn als eine Phase des Übergangs betrachtet wird. Deshalb hängt die Protagonistin mit Menschen herum, die einer anderen Altersgruppe angehören als sie selbst und die in Welten leben, die gar nicht zu ihr gehören.
Sind das nicht ständige Fluchtversuche? Die Szene im Kurzfilm
Titel: Lovely Rita
Regie: Jessica Hausner
Land/Jahr: Österreich / 2001
Laufzeit: 79’
Genre: Drama,Coming-of-age
Cast: Barbara Osika, Christoph Bauer, Peter Fiala, Wolfgang Kostal, Karina Brandlmayer
Buch: Jessica Hausner
Kamera: Martin Gschlacht
Produktion: Coop99 Filmproduktion