aufzeichnungen-aus-der-unterwelt-2020-covi-frimmel-kritik

AUFZEICHNUNGEN AUS DER UNTERWELT

      Keine Kommentare zu AUFZEICHNUNGEN AUS DER UNTERWELT

This post is also available in: Italiano (Italienisch) English (Englisch)

von Tizza Covi und Rainer Frimmel

Note: 7.5

Die Protagonisten von Aufzeichnungen aus der Unterwelt, das jüngste Werk der Dokumentarfilmer Tizza Covi und Rainer Frimmel, sind Gesichter von Menschen, die verschiedene historische Epochen durchlebt haben, Hände, die mit alten Kartendecks spielen, kleine gemütliche Zimmer in einem Gasthaus und fröhliche Chöre von alten Freunden, die alte traditionelle Wiener Lieder singen.

Das andere Wien

Tizza Covi und Rainer Frimmel sind zwei Regisseure, die längst auch außerhalb Österreichs geschätzt werden. Die beiden Dokumentarfilmer, die seit vielen Jahren zusammenarbeiten, schenken uns immer Geschichten, die fast auf halbem Weg zwischen Fiktion und Realität liegen. Geschichten, in denen der Zuschauer oft nicht in der Lage ist, Fiktion von Realität zu unterscheiden. Das war bei den früheren Filmen La Pivellina (2009) und Mister Universo (2016) der Fall und es ist auch bei Aufzeichnungen aus der Unterwelt der Fall, der bei der Berlinale 2020 in der Reihe Panorama Dokumente uraufgeführt worden ist.

In diesem Fall haben sich die beiden Regisseure für einen eher dokumentarischen Ansatz entschieden. Und angesichts des Themas und der wertvollen Zeugnisse, die Aufzeichnungen aus der Unterwelt möglich machten, war dies wohl auch die einzig mögliche Inszenierung. Das Ergebnis ist ein Porträt eines Wiens, das wir nicht kennen. Ein Wien der Vorstädte und Slums, die von Figuren bevölkert werden, die einem Roman entsprungen zu sein scheinen.

An den Tischen eines kleinen Gasthauses sitzend, hörten die Filmemacher den Erzählungen von Kurt Girk – ein Sänger von Wiener Volksliedern, der uns vor kurzem verlassen hat – und seinem Freund Alois Schmutzer zu, der von allen als „der König der Vorstadt“ angesehen wird. Dank ihrer Zeugnisse – und der Geschichten derer, die ihnen nahestanden, und derer, die oft Gelegenheit hatten, von ihnen zu hören – ist in diesen wertvollen Aufzeichnungen aus der Unterwelt eine Geschichte entstanden, die mit dem Ende des Ersten Weltkriegs beginnt, von den Sechzigern erzählt und in unseren Tagen endet. Eine Geschichte von Freundschaft, von Armut, aber auch vom Kampf ums Überleben und von Gewalt, die hier auch mit einer angenehmen Ironie inszeniert wird.

Ein feiner Schwarz-Weiß-Film gibt uns das Gefühl, Teil dieser scheinbar fernen Welt und Zeit zu sein, deren Porträts durch alte Fotografien und Archivbilder aus den Archiven des ORF noch bereichert werden. Und die Regisseure beschränken sich darauf, nur wenige direkte Fragen zu stellen und erscheinen vor der Kamera fast völlig unsichtbar. Auch sie sind fasziniert von den Geschichten der beiden Protagonisten, ihren Anekdoten und sogar von dem amüsanten Spiel Stoss, das seit jeher bei den örtlichen Behörden verpönt ist und mit dem man in der Vergangenheit große Geldsummen verspielt hat, um das Glück vorherzusagen.

Es sind Gesichter von Menschen, die viele Ereignisse und Epochen miterlebt haben, Hände, die mit alten Kartendecks spielen, kleine und gemütliche Wirtshäuser und fröhliche Chöre von Freunden, die – begleitet von einem Akkordeon – alte traditionelle Wiener Lieder singen, die die wahre Seele von Aufzeichnungen aus der Unterwelt sind.

Tizza Covi und Rainer Frimmel haben dieses ungewöhnliche Bild von Wien perfekt umgesetzt, indem sie einen wesentlichen Regieansatz gewählt haben: Die Protagonisten selbst haben ihren Film langsam Gestalt annehmen lassen. Und so gehört dieser interessante und aufrichtige Aufzeichnungen aus der Unterwelt sofort zu den „Wien-Filmen“, die seit mehreren Jahrzehnten in Österreich produziert werden, und die allesamt Zeichen einer großen Liebe zur Heimat und Herkunft sind. Wichtige Zeugnisse dessen, was die wunderschöne Stadt Wien ist und war.

Titel: Aufzeichnungen aus der Unterwelt
Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel
Land/Jahr: Österreich / 2020
Laufzeit: 115’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Rainer Frimmel
Kamera: Rainer Frimmel
Produktion: Vento Film

Info: Die Seite von Aufzeichnungen aus der Unterwelt auf der Webseite der Austrian Film Commission; Die Seite von Aufzeichnungen aus der Unterwelt auf der Webseite der Berlinale