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WAS BLEIBT I ŠTA OSTAJE I WHAT REMAINS / RE-VISITED

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von Clarissa Thieme

Note: 8

Der Dokumentarfilm Was bleibt I Šta ostaje I What remains / Re-visited von Clarissa Thieme erscheint sofort als eine faszinierende Mischung der Künste. Eine gekonnte Mischung aus Film und Fotografie, die von zehn Jahren des Wandels, des Leidens und der hartnäckigen Resilienz erzählt.

Lebendige Bilder

Die Zeit heilt manchmal alle Wunden. Es kommt jedoch häufig vor, dass die Narben leider noch sichtbar sind. Genauso wie für die Länder des ehemaligen Jugoslawiens, wo die Folgen des Krieges bis heute sichtbar sind und viele Städte und Dörfer noch im Wiederaufbau begriffen sind. Das zeigt der Dokumentarfilm Was bleibt | Sta Ostaje | What remains / Re-visited, der bei der Berlinale 2020 in der experimentellen Reihe Forum präsentiert worden ist.

Um das Leben an diesen faszinierenden Orten zu dokumentieren, nahm die deutsche Filmemacherin Clarissa Thieme ein Projekt wieder auf, das sie vor zehn Jahren begonnen hatte. Sie reiste nach Bosnien und Herzegowina und kehrte an die gleichen Orte zurück, die sie zuvor besucht hatte, um zu zeigen, wie sie sich verändern oder wie sie immer noch die Auswirkungen des Krieges spüren.

Die Bilder sprechen für sich selbst. Und der Dokumentarfilm Was bleibt I Šta ostaje I What remains / Re-visited erscheint sofort als eine faszinierende Mischung der Künste. Eine gute Mischung aus Film und Fotografie, in der kein Platz für weitere Elemente ist. Nur eine Bildunterschrift am Anfang des Spielfilms weist auf den Zweck des Films hin. Dann erzählen uns sofort achtzehn feste Kameraeinstellungen zehn Jahre Geschichte. Zehn Jahre der Veränderung, des Leidens und der hartnäckigen Resilienz. Zehn Jahre in einem einzigen Bild, in dem die beiden zeitlichen Ebenen durch zwei verschiedene Kunstformen repräsentiert werden: Die Fotografie zeigt uns die Vergangenheit, das Kino die Gegenwart.

Mit großen Plakaten, die uns die alten Zustände der gefilmten Umgebungen zeigen, stellt sich die Regisseurin – mit Hilfe einer Mitarbeiterin – vor die Kamera und gibt uns die Möglichkeit, die beiden unterschiedlichen Realitäten zu vergleichen. Der Rest kommt von selbst. Neugierige Touristen fragen oft, was gefilmt wird, Einheimische erkennen sich auf alten Fotos wieder, Marktverkäufer reflektieren über die schwierigen Bedingungen ihrer Arbeit. Die Crew von Clarissa Thieme interagiert mit ihnen, wird selbst Teil des Ortes und seiner Geschichte. Vor der Kamera kann alles Mögliche passieren. Mit Ausnahme der achtzehn Plansequenzen war bei der Entstehung von Was bleibt I Šta ostaje I What remains / Re-visited nichts vorgegeben. Die Realität wird zum Kino, das Kino wird zum treuen Zeugen der Realität, ohne sich zu scheuen, „seine Tricks zu verraten“, wobei manchmal Mikrofone vor der Kamera gezeigt werden.

Und was macht der Zuschauer? Ganz einfach: Er wird jedes Mal vor den Bildern überrascht und weiß nicht, was ihn erwartet. So wie es für die Regisseurin selbst während der Dreharbeiten zum Film war. Und so entpuppt sich Was bleibt I Šta ostaje I What remains / Re-visited als ein stilistisch einzigartiger Film, scheinbar einfach, aber viel komplexer und vielschichtiger, als er zunächst erscheinen mag. Ein Dokumentarfilm, der uns in nur siebzig Minuten nicht eine, sondern viele Geschichten erzählt. Viele Erinnerungen, die für immer in den Köpfen und Herzen derer, die sie erlebt haben, bleiben werden. Genauso wie die Bilder von Menschen, die nicht mehr unter uns sind, die aber dank der hier gezeigten alten Fotografien für immer weiterleben werden.

Titel: Was bleibt I Šta ostaje I What remains / Re-visited
Regie: Clarissa Thieme
Land/Jahr: Deutschland, Österreich, Bosnien und Herzegowina / 2020
Laufzeit: 70’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Clarissa Thieme
Kamera: Almir Dikoli
Produktion: Kirberg Motors

Info: Die Seite von Was bleibt I Šta ostaje I What remains / Re-visited auf filmportal.de; Die Seite von Was bleibt I Šta ostaje I What remains / Re-visited auf der Webseite der Berlinale; Die Seite von Was bleibt I Šta ostaje I What remains / Re-visited auf www.clarissathieme.com