Eine beunruhigende Religiosität durchdringt alles in The Lodge. Eine finstere und verurteilende Religiosität, die schon in den ersten Minuten Angst macht. Große Gemälde mit sakralen Darstellungen und schweren Kruzifixen scheinen die Protagonisten ständig zu beobachten. Und ein dunkles Licht, das mit dem überbelichteten Weiß der immensen Schneefläche, die das Haus umgibt, kontrastiert, wird zur Hauptdarstellerin.
Die böse Stiefmutter
Veronika Franz und Severin Fiala. Tante und Neffe und eine große Leidenschaft für die siebte Kunst. Sie ist die Frau von Ulrich Seidl, einem der renommiertesten österreichischen Filmemacher unserer Zeit, der immer an seine Frau und an seinen jungen Neffe geglaubt hat und 2012 ihren Dokumentarfilm Kern produziert hat. Und hatten sich die beiden mit Ich seh ich seh (2014) endgültig dem Horrorgenre verschrieben und sich international einen Namen gemacht, so haben sie mit dem Film The Lodge, ihrem ersten englischsprachigen Spielfilm, ihr Talent weiter bestätigt. In diesem Film spielen beunruhigende Atmosphären, lange Kameraeinstellungen, Stille, die auf bevorstehende Tragödien hindeuten, und plötzliche Wendungen, die den Zuschauer schockieren und all seine Überzeugungen ins Wanken bringen, eine zentrale Rolle.
Ähnlich wie in Ich seh ich seh spielt sich auch in The Lodge das Drama innerhalb einer Familie ab: Aidan und Mia sind zwei kleine Geschwister, die kürzlich ihre Mutter verloren haben. Die Frau beging Selbstmord, nachdem ihr Mann sie wegen einer anderen Frau verlassen hatte. Noch immer traumatisiert von dem jüngsten Verlust, müssen die Kinder die Weihnachtsferien im Berghaus ihres Vaters verbringen. Schade, dass der Vater bis Heiligabend mit der Arbeit beschäftigt ist und die Kinder mit Grace, ihrer zukünftigen Stiefmutter, einer Frau mit einer dunklen Vergangenheit, zusammenbleiben müssen.
In The Lodge ist alles von einer seltsamen Religiosität durchdrungen. Eine finstere und verurteilende Religiosität, die von den ersten Minuten an Schrecken verbreitet. Große Gemälde mit sakralen Darstellungen und schweren Kruzifixen scheinen die Protagonisten ständig zu beobachten. Ein dunkles Licht, das mit dem überbelichteten Weiß der immensen Schneefläche, die das Haus umgibt, kontrastiert, wird zur Hauptdarstellerin. Und so wird – wie schon in Ich seh ich seh – auch in The Lodge das Haus als eine echte Hauptfigur behandelt. Ein Haus, das – trotz der weihnachtlichen Atmosphäre – ein starkes Gefühl der Unruhe vermittelt. Ein Haus, das – wie wir zu Beginn des Films sehen – von den beiden Kindern in einem viel kleineren Modell originalgetreu nachgebaut wird, mit Puppen im Inneren, die den Familienmitgliedern ähneln. In dieser Hinsicht ist es überraschend, dass das, was wie ein unschuldiges Kinderspiel aussieht, in Wirklichkeit nichts Spielerisches oder Fröhliches an sich hat. Was uns vermittelt wird, ist ein starkes Gefühl der Klaustrophobie, das durch diese verstörende Religiosität und durch das starke und unerträgliche Schuldgefühl, das sie hervorzurufen vermag, noch verstärkt wird.
Manchmal haben wir den Eindruck, dass es in The Lodge etwas gibt, das wir schon einmal gesehen haben. Doch Veronika Franz und Severin Fiala haben gezeigt, dass sie mit den vielen Wendungen gut umgehen können. Nichts (oder fast nichts) ist in The Lodge vorhersehbar. Und wenn sich die beiden Filmemacher auch von der Vergangenheit inspirieren ließen (man denke zum Beispiel an Alejandro Amenabars The Others), so haben sie doch eine ganz eigene Filmsprache geschaffen. Eine Filmsprache, in der lange Stille, enge Umgebungen, endlose Gänge und beängstigende Suggestionen die Protagonisten sind. Eine Filmsprache, die den Kanon des Horrorkinos voll widerspiegelt, auch inspiriert vom Expressionismus und vom Kino ihrer Landsmännin Jessica Hausner (vor allem in Bezug auf den Spielfilm Hotel aus dem Jahr 2004). All dies ließ die beiden Regisseure 2014 mit Ich seh ich seh die Aufmerksamkeit von Publikum und Kritikern auf sich ziehen. All dies wurde – allerdings in anderer Form – in dem erfolgreichen The Lodge wieder aufgegriffen. Und wenn Tante und Neffe manchmal noch etwas unsicher wirken, dann liegt das wohl an der relativ geringen Erfahrung als Filmemacher. Aber bei solchen Rhythmen wird es sicher nicht lange dauern, bis sie ihre eigene Reife gefunden haben.