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DIE VERWUNDBAREN

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von Leo Tichat

Note: 8

Die Verwundbaren– ein einzigartiger Skandalfilm in der österreichischen Filmgeschichte – ist der einzige Film, der vom Maler, Bühnen- und Kostümbildner Leo Tichat inszeniert wurde. Der Künstler, der schon immer von der Nouvelle Vague fasziniert war, wollte einen Spielfilm machen, der von der bahnbrechenden französischen Filmbewegung inspiriert ist.

Auf den Straßen von Wien

Zu den interessantesten Regisseuren in der österreichischen Filmgeschichte gehört zweifelsohne Leo Tichat. Der hauptsächlich als Maler, Bühnen- und Kostümbildner tätige Künstler war schon immer von der Nouvelle Vague fasziniert und drehte deshalb 1967 einen Spielfilm, der ganz von der bahnbrechenden französischen Filmbewegung inspiriert war. Es handelt sich um Die Verwundbaren, den einzigen Film, der von ihm gedreht wurde. Der Film entpuppte sich als echter Skandal mit sexuell expliziten Szenen und der Geschichte einer homosexuellen Liebesaffäre. Offensichtlich verursachte dies eine Menge Probleme mit der Zensur, der Film wurde stark zensiert und wurde erst zwei Jahre später unter dem TitelEngel der Lust in die Kinos gebracht.

Der Film Die Verwundbaren stellt somit etwas Einzigartiges innerhalb der österreichischen Filmproduktion dar. Ein zweifelsohne mutiger, stilistisch interessanter Film, der sich als klare Hommage an den französischen Film erweist. Und doch hat Leo Tichat es auf seine Weise gewagt. Und das tat er, indem er eine verbotene Leidenschaft inszenierte.

Wir befinden uns im Wien der frühen Sechzigerjahre. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs sind immer noch spürbar und wirken auch bei jungen Menschen nach. Und es ist gerade ein starkes Gefühl der Verwirrung, das die jungen Protagonisten dazu bringt, scheinbar ziellos durch die Straßen der Stadt zu irren, nur auf der Suche nach neuen sexuellen Abenteuern und auf Partys in Nachtclubs. Ein interessanter Chorfilm, Die Verwundbaren. Die Kamera läuft hektisch von einer Figur zur nächsten und zeigt uns nur flüchtige Einblicke in ihren Alltag durch Einstellungen, die manchmal schief sind, manchmal scheinen sie die Figuren durch eine Art Vorhang zu beobachten.

Wie zu Zeiten der Nouvelle Vague (und des italienischen Neorealismus) wurde der Film fast vollständig auf der Straße oder an realen Schauplätzen gedreht und viele der Schauspieler waren keine Profis. Die Realität ist so, wie sie uns gezeigt wird. Und auch die inszenierten dramatischen Geschichten zeichnen sich durch eine gewisse Leichtigkeit aus, auch dank der Swing- und Jazzmusik. Und so denkt man sofort an Jean-Luc Godard, an Jean Eustache, aber auch an Schatten (1959), den Debütfilm von John Cassavetes. Dennoch ist Die Verwundbaren ein einzigartiger Film. Besonders erwähnenswert ist die Parallelmontage, die uns eine nächtliche Party und einen gleichzeitig stattfindenden Mord zeigt. Eine frenetische Montage, die im gesamten Spielfilm zu finden ist. In Die Verwundbaren geht alles schnell. Zu schnell. Und es scheint fast so, als gäbe es keine Zeit zum Innehalten und Nachdenken.

Und so verlagert sich der Fokus des Werkes von Frankreich nach Österreich. Oder vielleicht hat er sich nie von dort wegbewegt. Gerade auf Österreich hatte der Krieg so starke Auswirkungen. Und erst am Ende des Films erkennen wir den Pessimismus von Leo Tichat. Was wird aus den jungen Menschen? Keiner kann es wissen. Dennoch sind die präzis gestapelten Autos auf einem Schrottplatz, die uns durch eine Kamerafahrt gezeigt werden, sehr bedeutsam.

Titel: Die Verwundbaren
Regie: Leo Tichat
Land/Jahr: Österreich / 1967
Laufzeit: 58’
Genre: Drama, Chorfilm
Cast: Charlotte Artner, Frank Debray, Kim Dimon, Herbert Fux, Johanna Fürst, Herbert Hackl, Carl Peter Hoss, Krista Stadler, Leo Tichat
Buch: Leo Tichat
Kamera: Axel Pului
Produktion: Neton Film

Info: Die Seite von Die Verwundbaren auf iMDb; Die Seite von Die Verwundbaren auf der Webseite der Viennale