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HUNDSTAGE

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von Ulrich Seidl

Note: 8.5

Viele hatten gehofft, dass Ulrich Seidl seinen jüngsten Film Böse Spiele bei den 76. Filmfestspielen von Venedigpräsentieren könnte. Denn tatsächlich ist der berühmte österreichische Filmemacher jetzt am Lido zu Hause, wo er 2001 internationalen Ruhm erlangte, als er den Film Hundstage im Wettbewerb präsentierte, der den Großen Preis der Jury gewann.

Wer ohne Sünde ist…

Viele hatten gehofft, dass Ulrich Seidl seinen jüngsten Film Böse Spiele bei den 76. Filmfestspielen von Venedig präsentieren könnte. Denn tatsächlich ist der berühmte österreichische Filmemacher nun am Lido zu Hause, wohin er in den vergangenen Jahren oft zurückgekehrt ist. Hier erlangte der Regisseur 2001 internationalen Ruhm, als er den Film Hundstage im Wettbewerb präsentierte. Ein Film, der das Publikum schockierte und am Ende des Festivals den Großen Preis der Jury gewann.

Seidl hat schon immer die heuchlerische und unlockere österreichische Gesellschaft kritisiert und all ihre bedauernswerten Angewohnheiten inszeniert. Im Film Hundstage bewirkt beispielweise ein bestimmter Auslöser, dass die Menschen beginnen, ihre wahre Persönlichkeit zu zeigen. Dieser Faktor ist eine ungewöhnliche Hitze, ein Klima, das so heiß ist, dass es die Menschen dazu zwingt, die Ventilatoren den ganzen Tag über laufen zu lassen. Und so sehen wir in einem sonnigen südlichen Wiener Stadtrand viele Geschichten, die von einem seltsamen Mädchen mit Asperger-Syndrom (gespielt von der hervorragenden Maria Hofstätter) miteinander verbunden werden. Sie wird diejenige sein, die die Leute mit ihren naiven und indiskreten Fragen nervös macht.

Feste Kameraeinstellungen von in der Sonne liegenden Körpern, die Teil des Bühnenbildes zu sein scheinen, wechseln sich häufig mit Momenten ab, in denen sich die Schulterkamera hektisch bewegt. Das ist eher ungewöhnlich für Seidls Stil, der normalerweise feste, perfekt symmetrische Einstellungen bevorzugt. Doch im Film Hundstage funktioniert diese Technik. Und sie trägt auch dazu bei, den Grat zwischen Fiktion und Realität noch schmaler zu machen. Ein Grat, von dem man in den Werken des österreichischen Regisseurs nie genau weiß, wo er liegt. In diesem Film trägt die Wahl von professionellen und nicht-professionellen Schauspielern zu diesem Effekt bei. Und jeder von ihnen spielt eine gut durchdachtene Figur: Einen Witwer, der sein Dienstmädchen bittet, ihm seine tote Frau zu ersetzen, eine Lehrerin, die ständig von ihrem Liebhaber missbraucht wird, ein Mädchen, das von einem eifersüchtigen und gewalttätigen Freund unterdrückt wird, einen Verkäufer von Sicherheitsausrüstung und ein Ehepaar, das nach dem Tod seiner Tochter selbst sein Herzblut verloren hat.

Das Licht seinerseits spielt im Film Hundstage eine fundamentale Rolle: Grell, maßlos überbelichtet, gibt es die Idee der sengenden Sonne voll wieder, die alle nur noch reizbarer und fast blind macht (der Kameramann Wolfgang Thaler, mit Hilfe von Jerzy Palacz, hat seine Sache gut gemacht). Das Ergebnis ist ein Crescendo von emotional unerträglicher Spannung, das auf den Zuschauer fast die gleiche Wut und Wirkung ausübt wie die Hitze auf die Protagonisten.

Ein Fresko einer Gesellschaft, in der, von sporadischen Ausnahmen abgesehen, niemand wirklich unschuldig ist. Jeder lebt mit starken Schuldgefühlen und versteckt seine eigene Gemeinheit ständig hinter einer dünnen Fassade der Ehrbarkeit. Ein Thema, das immer wieder behandelt wird (zuletzt zum Beispiel im wertvollen Dokumentarfilm Im Keller, der 2014 bei den Filmfestspielen von Venedig außer Konkurrenz gezeigt wurde, sowie im schockierenden Safari, der 2016 ebenfalls in Venedig präsentiert wurde) und das im Laufe der Jahre zu einem echten Markenzeichen des renommierten Filmemachers geworden ist. Und wenn ein kräftiger Regen alles auslöschen zu wollen scheint, was in der Vergangenheit geschehen ist, so scheint das Gewesene dazu bestimmt zu sein, für immer im kollektiven Gedächtnis zu bleiben. Als ob es keine Hoffnung auf Erlösung gäbe.

Titel: Hundstage
Regie: Ulrich Seidl
Land/Jahr: Österreich / 2001
Laufzeit: 121’
Genre: Drama, Groteskfilm
Cast: Maria Hofstätter, Alfred Mrva, Erich Finsches, Gerti Lehner, Franziska Weisz, Rene Wanko, Claudia Martini, Victor Rathbone, Christian Bakonyi, Christine Jirku, Viktor Hennemann, Georg Friedrich, Christina Horvath, Ingeborg Wehofer, Karl Christoph, Edith Helm, Peter Kristek, Alfred Strobl, Editha Maurer
Buch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Kamera: Wolfgang Thaler
Produktion: Allegro Film, Essential Filmproduktion GmbH

Info: Die Seite von Hundstage auf iMDb