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DER ENGEL MIT DER POSAUNE

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von Karl Hartl

Note: 8.5

Karl Hartls erfolgreicher Spielfilm Der Engel mit der Posaune, der frei auf Ernst Lothars gleichnamigem Roman(1946) basiert, ist eine spannende Familiensaga und ein getreues Porträt von rund sechzig Jahren österreichischer Geschichte. Ein Film, der es schafft, zwei unterschiedliche Sichtweisen zu vermischen: Die von Hartl und die von Lothar.

Once upon a time…

Karl Hartls erfolgreicher Spielfilm Der Engel mit der Posaune (1948), der frei auf Ernst Lothars gleichnamigem Roman (1946) basiert, gehört zu den wichtigsten Filmproduktionen der vierziger Jahre in Österreich. Es handelt sich um eine Familiensaga, die zugleich ein getreues Porträt von rund sechzig Jahren österreichischer Geschichte ist (von 1888, als die Habsburger noch regierten, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs). Eine Geschichte, in der die ganze Liebe des Regisseurs (und Ernst Lothars) zu seiner Heimat deutlich hervortritt und der es gelingt, zwei unterschiedliche Sichtweisen zu vermischen: Die von Hartl und die von Lothar. Lothar selbst hat einen wichtigen Beitrag zum Drehbuch geleistet und wohl niemand hätte eine so persönliche und detailreiche Verfilmung besser inszenieren können als Karl Hartl.

Der Film Der Engel mit der Posaune beginnt und schließt elliptisch mit dem Bild des prächtigen Hauses der Familie Alt und konzentriert sich sofort auf die Skulptur eines Trompete spielenden Engels über der Eingangstür, als Symbol für Reinheit, Kunst und Nationalismus, das durch die Liebe zur Musik repräsentiert wird. Dieses Haus ist Schauplatz der Erlebnisse der rebellischen Henriette Stein (gespielt von Paula Wessely), verheiratet mit Franz Alt (Attila Hörbiger), Erbe einer renommierten Klavierfabrik. Sie war einst wahnsinnig verliebt in den österreichischen Kronprinzen Rudolf (den einzigen Sohn von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth, der sich mit seiner Geliebten Maria Vetsera in Mayerling das Leben nahm). In diesem Haus werden ihre drei Kinder, Hans (Hans Holt), Hermann (Oskar Werner) und Martha Monica (Erni Mangold), geboren. Dieses gleiche Haus wird nicht „immun“ gegen das Aufkommen von Hitler und die nachfolgende Rassenverfolgung bleiben.

1948, das Jahr, in dem der Film gedreht wurde, ist ein besonders bedeutsames Jahr und repräsentiert gut den großen Wunsch nach Wiedergeburt einer Nation, die noch immer unter dem kurz zuvor beendeten Krieg leidet.

Und Karl Hartl, der tief verliebt in seine Heimat ist, gibt sich wirklich Mühe, das Beste aus dem zu machen, was hier erzählt wird. Was die Innenräume betrifft, so zeigen uns langsame und raffinierte Kamerafahrten stolz die Pracht der Behausungen, während elegante Panoramaaufnahmen von stimmungsvollen Außenbereichen die Umgebung von Wien zeigen.

Die Inszenierung von Lothars komplexem Roman war keine leichte Aufgabe. Und doch hat Hartl jedes Mittel zu genutzt: Zeitliche Ellipsen, in denen eine Off-Stimme die Geschichte erzählt, bis hin zu Momenten, in denen eine Parallelmontage die Ereignisse erzählt (wie in der Szene des Duells zwischen Franz Halt und Graf Traun). Wenn man eine solche Geschichte inszenieren will, ist die Gefahr sehr groß, dass man es auf eine pompöse oder redundante Weise tut. Dies ist aber bei Der Engel mit der Posaune nicht der Fall. Gerade deshalb konnte sich Karl Hartl in einer vor allem in der Nachkriegszeit äußerst produktiven Filmindustrie auszeichnen.

Bei dem Film Der Engel mit der Posaune fällt sofort die anspruchsvolle Besetzung auf, zu der auch im Ausland bekannte und geschätzte Schauspieler gehören (neben Wessely und ihrem Mann Hörbiger gibt es auch Oskar Werner, Maria Schell, Anton Edthofer und sogar einen sehr jungen Karlheinz Böhm, der hier allerdings eine marginale Rolle spielt). Die wahre Besonderheit des Films ist jedoch seine Protagonistin Henriette Stein. Hartls Kamera gibt ihren Charme, ihre Eleganz und ihre Würde als Österreicherin, die sich traurig mit ihrem Schicksal abfindet, perfekt wieder. Über die Unterschiede zu Lothars Roman braucht man nicht nachzudenken. Man muss nicht darüber nachdenken, wie viel komplexer (und nicht immer unschuldig) die Henriette des Romans war. Die von Paula Wessely gespielte Henriette ist perfekt, so wie sie ist. Und sie passt perfekt in Hartls Spielfilm, der in der Lage ist, den Zuschauer zu bewegen und gleichzeitig zu schockieren.

Es kommt also vor, dass sich eine Verfilmung stark von dem Roman unterscheidet. Und das ist natürlich, da es sich um zwei unterschiedliche Kunstwerke handelt. Und doch ist in diesem Fall eine Überlegung nötig: Im Roman von Lothar (der, wie andere seiner Kollegen, während des Krieges ins Ausland emigrieren musste) sind die ganze Entmutigung und Desillusionierung über eine bessere Zukunft offensichtlich. Das zeigt sich auch daran, dass sein Roman nach der Begegnung mit einem KZ-Überlebenden entstanden ist, der Lothar zur Figur des Hans Alt inspirierte. In dem Film Der Engel mit der Posaune kann man dagegen eine leise Hoffnung und einen vorsichtigen Optimismus lesen. So wie am Ende des Films in der beeindruckenden Panoramaaufnahme von Wien, mit einem Blick auf den im Wiederaufbau befindlichen Stephansdom.

Titel: Der Engel mit der Posaune
Regie: Karl Hartl
Land/Jahr: Österreich / 1948
Laufzeit: 132’
Genre: Drama
Cast: Paula Wessely, Helene Thimig, Hedwig Bleibtreu, Alma Seidler, Maria Schell, Adrienne Gessner, Erni Mangold, Attila Hörbiger, Paul Hörbiger, Hans Holt, Oskar Werner, Fred Liewehr, Curd Jürgens, Anton Edthofer, Gustav Waldau, Alfred Neugebauer, Hans Ziegler, Erich Ziegler, Karlheinz Böhm
Buch: Karl Hartl, Franz Tassié
Kamera: Günther Anders
Produktion: Neuer Wiener Filmproduktion, Vindobona-Filmproduktion GmbH

Info: Die Seite von Der Engel mit der Posaune auf IMDb