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UNTITLED

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von Michael Glawogger und Monika WIlli

Note: 8

Michael Glawogger begab sich für seinen posthumen Dokumentarfilm Untitled auf eine scheinbar ziellose Reise um die Welt. Und so filmte er die Zerstörung und Wiedergeburt, den Verfall bestimmter Realitäten und gleichzeitig die große Kraft der Menschen, einen neuen Lebenszweck zu finden.

Die letzte Reise

Es kann passieren, dass während der Produktion eines Films die Regisseure sterben. Wenn dies geschieht, ist das Schicksal des oben genannten Werkes ungewiss. Dies geschah zum Beispiel mit dem Dokumentarfilm Untitled, einem posthumen Werk von Michael Glawogger, der in Liberia starb, nachdem er während der Dreharbeiten an Malaria erkrankte. Der Film wurde von der Filmeditorin Monika Willi (zusammen mit dem Kameramann Attila Boa) mit Material aus dem Jahr 2014 fertiggestellt. Im Jahr 2014 begab sich Glawogger auf eine scheinbar ziellose Reise um die Welt. Das Endergebnis ist ein Fresko, in dem Zerstörung und Wiedergeburt, der Verfall bestimmter Realitäten und die Fähigkeit des Menschen, einen neuen Lebenssinn zu finden, nebeneinander bestehen.

Der Titel (Untitled) ist besonders bedeutungsvoll. Glawogger wurde Teil der Welt, die er filmte, weil er sich von der Realität einen Schlüssel zur Interpretation geben ließ.

Die lange, lange Reise begann in Italien, inmitten der Ruinen des Dorfes Apice Vecchia (in der Gegend von Benevento), das durch das Erdbeben von 1980 zerstört wurde. Wenige Minuten später befinden wir uns in Mauretanien, dann im Senegal, dann in abgelegenen Friedhöfen, an einem Strand, wo einbeinige Kinder ihre Behinderung durch Fußballspielen überwinden, in luxuriösen Hotels, die Symbole für Träume und Unwirklichkeit sind, und – warum nicht? – auf einem Skateboard, das nachts durch die Stadt fährt, wie in den Filmen von Sion Sono.

Monika Willi hatte die schwierige Aufgabe, die Sichtweise des verstorbenen Glawoggers lebendig zu halten. Ein Voice-over, die Musik von Wolfgang Mitterer und eine elliptische Struktur machten den Dokumentarfilm raffiniert und gut strukturiert. Wer könnte besser als Monika Willi die Absichten von Michael Glawogger kennen? Wer hätte dieses Gefühl der Verzweiflung, das in Träumen Zuflucht findet und sich in eine schwache, aber lebendige Hoffnung verwandelt, besser wiedergeben können?

Der Tod von Michael Glawogger ist ein großer Verlust für den österreichischen Film und die ganze Filmwelt. Und der Regisseur ist gerade wegen seiner starken Kritik an den gefilmten Realitäten oft mit dem Dokumentarfilmer, seinem Landsmann, Nikolaus Geyrhalter, verglichen worden. Wirkt dieser jedoch sehr desillusioniert, so scheint in dem Dokumentarfilm Untitled eine solche Ernüchterung keinen Platz zu haben. Und das ist vielleicht das wertvollste Geschenk, das uns der Regisseur machen wollte. Und so erscheint uns sein Tod fast wie das Anzeichen einer Wiedergeburt. Genau wie die Kinder, die nach dem Unfall, der sie behindert hat, in der Sonne Fußball spielen.

Die hier inszenierte Geschichte scheint also kein Ende zu haben. Eine Geschichte, die nicht genannt werden kann. Eine Geschichte, die für immer titellos bleiben wird. Untitled.

Titel: Untitled
Regie: Michael Glawogger, Monika WIlli
Land/Jahr: Österreich / 2017
Laufzeit: 105’
Genre: Dokumentarfilm
Buch: Michael Glawogger, Monika Willi
Kamera: Attila Boa
Produktion: Lotus Film

Info: Die Seite von Untitled auf iMDb; Die Webseite von Michael Glawogger