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ERIK & ERIKA

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von Reinhold Bilgeri

Note: 5.5

Es ist ein ungeschickter Regieansatz, der ein Werk wie Reinhold Bilgeris Erik & Erika zu einem flachen, rein fernsehtauglichen Produkt macht, das trotz interessanter Anfangsideen in den entscheidenden Momenten zwangsläufig an Biss verliert.

Er oder sie?

So sehr eine wahre Geschichte zweifelsohne einen großen Reiz ausüben kann, so wenig gelingt es, sie filmisch interessant zu inszenieren. Das ist zum Beispiel bei dem Spielfilm Erik & Erika – unter der Regie des österreichischen Musikers Reinhold Bilgeri – der auf der Diagonale 2019 seine Premiere feierte, der Fall. Hier werden wir mit der kuriosen Geschichte von Erika Schinegger bekannt gemacht, die 1948 geboren wurde und 1966 Skimeisterin wurde.

Der Fall von Erika (jetzt Erik) Schinegger stellt eines der bekanntesten und seltensten Beispiele für Hermaphroditismus dar. Wenn also ein solches Ereignis eine bekannte Figur betrifft und sich zudem in einer kleinen Provinzstadt abspielt, in der die Menschen noch eher zu Gerede und Klatsch neigen, ist die Geschichte immer besser für eine mögliche Verfilmung geeignet.

Reinhold Bilgeri weiß das sehr genau, denn in der Vergangenheit waren Spielfilme, in denen auf die eine oder andere Weise von einer – wenn auch vorübergehenden – „Geschlechtsumwandlung“ die Rede ist, so erfolgreich, dass sie bald zu echten Kultfilmen wurden. Wir sprechen, um nur einige Beispiele zu nennen, von Victor Victoria von Blake Edwards (mit einer großartigen Julie Andrews), aber auch von Manche mögen’s heiß von Billy Wilder (wo zwei verzweifelte Kerle, Tony Curtis und Jack Lemmon, gezwungen sind, sich als Frauen zu verkleiden, um einer Gruppe von Kriminellen zu entkommen) oder dem neueren Mrs. Doubtfire (mit einem unvergesslichen Robin Williams).

Und in der Tat hat Bilgeri das auch versucht. Und anlässlich der Diagonale 2019 brachte die Vorführung von Erik & Erika eine sehr hohe Zuschauerzahl ins Kino.

Und doch laufen die Dinge nicht immer so, wie sie sollten. Und in dieser Hinsicht hat Erik & Erika, abgesehen von ein paar guten Elementen (einschließlich der Interpretation von Markus Freistätter in der Hauptrolle), viele Unzulänglichkeiten. Angefangen bei der Musik, die so aufdringlich und nachdrücklich ist, dass sie oft überflüssig und kitschig wirkt. Aber wenn der Regisseur seine gesamte Karriere auf die Musik ausgerichtet hat, ist das Risiko, solche Fehler zu machen, sehr hoch. Weniger überzeugend ist jedoch ein Regieansatz, der bestimmten Momenten einen fast traumhaften und surrealen Ton verleiht, der aber am Ende unecht und sehr, sehr kitschig wirkt (das passiert zum Beispiel, wenn wir sehen, wie Erika der Realität entrückt in die Luft gehoben wird und sich dann auf magische Weise auf einer Skipiste wiederfindet, oder wenn wir sehen, wie das Mädchen sich einbildet, eine Handvoll Schnee in der Hand zu halten, nachdem man ihr gesagt hat, dass sie nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen darf).

Dieser Regieansatz hat Erik & Erika zu einem flachen Spielfilm mit reinem Fernsehcharakter gemacht, der trotz interessanter Anfangsideen selbst in einem wichtigen Moment wie dem, in dem die Protagonistin vor der Entscheidung steht, Mann zu werden oder Frau zu bleiben, unweigerlich an Biss verliert.

Abgesehen von dem guten Protagonisten gibt es nur wenige Elemente, die bei Erik & Erika von Interesse sind. Dazu gehören die Figur einer liebevollen und avantgardistischen Nonne und die Sekretärin des Sportvereins, bei dem das Mädchen einen Vertrag hat. Es ist die Sekretärin selbst, die als Erzählerin dient. Sie erinnert fast an eine weise und (fast) allwissende Moneypenny, die die Rolle der unerwiderten Geliebten aufgibt, um einem liebevollen Mutterinstinkt Platz zu machen.

Titel: Erik & Erika
Regie: Reinhold Bilgeri
Land/Jahr: Österreich, Deutschland / 2018
Laufzeit: 98’
Genre: Filmbiografie, Drama
Cast: Markus Freistätter, Marianne Sägebrecht, Cornelius Obonya, Ulrike Beimpold, August Schmölzer, Rainer Wöss, Gerhard Liebmann, Birgit Melcher, Lili Epply
Buch: Dirk Kämper
Kamera: Carsten Thiele
Produktion: Lotus-Film GmbH, Zeitsprung Pictures GmbH

Info: Die Seite von Erik & Erika auf der Webseite des Österreichischen Filminstituts