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von Barbara Albert
Note: 8
Mit Nordrand gelingt es Barbara Albert, ebenso dramatische wie außergewöhnlich frische und fröhliche Geschichten zu erzählen und sich in einer internationalen Filmszene zu etablieren.
Junge Menschen
Es erinnert sehr an die wilde Filme von Sion Sono, wenn wir die junge Jasmin auf einer Brücke am Stadtrand von Wien endlich (frei) lächelnd laufen sehen. Diese Jasmin ist die Hauptdarstellerin von
Aber worüber erzählt Nordrand? Nordrand spielt im Großen und Ganzen mit zwei grundlegenden Konzepten: der Opposition, die langsam zur Analogie wird, und dem Übergang, ob er nun als Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter oder von einer Nation zur anderen konzipiert wird. Im Hintergrund ein fast völlig neutral dargestelltes Wien, das sich von Zeit zu Zeit den Menschen anpasst, die es erleben und ihre Farben, Gerüche und Empfindungen annimmt.
Und so wird zunächst der Kontrast zwischen Jasmin und Tamara (Edita Malovcic) inszeniert, die sich seit ihrer Kindheit kennen und einige Jahre später im Wartezimmer einer Abtreibungsklinik treffen. Blond, lebhaft, rebellisch aussehend die erstere, brünett, viel ruhiger und melancholisch die zweite. Mit einer problematischen und nur allzu präsenten Familie die erste, während sich die zweite mit ihrer Familie, die weit weg wohnt, sehr verbunden fühlt. Der erste wurde in Wien geboren, die zweite in Sarajevo. Zwei gegensätzliche Identitäten, die jedoch viel ähnlicher sind, als man sich vorstellen kann. Zu ihnen gesellen sich die Schicksale von drei weiteren jungen Menschen. Jeder von ihnen kommt aus einer anderen Nation, jeder von ihnen hat den Traum, davonzulaufen.
Wir sind im Jahr 1995. Der Jugoslawien-Krieg ist gerade zu Ende gegangen. In Wien, das schon immer ein Schnittpunkt zwischen den verschiedenen europäischen Nationen war, stehen sich viele Kulturen und ebenso viele Geschichten gegenüber. Dabei kann es sich um eine Stadt des Übergangs oder um einen Ort handeln, an dem man sich dauerhaft niederlassen möchte. Jede Kultur, die einer solchen Stadt begegnet, fühlt sich lebendig und pulsierend. Davon zeugen die Leben der hierhin verpflanzten Bewohner sowie Repertoireaufnahmen, die sich mit einem gekonnten Parallelmontage gut in die gesamte Inszenierung einfügen.
Ein großer Schmerz, seine Heimat verlassen zu müssen, vergleichbar mit jenem, seine Kindheit für immer aufgeben zu müssen. Kindheit: ein weit entferntes Paradies, an das man sich mit Fingernägeln und Zähnen klammert, wenn man nur auf die lustigen Puppen der Tapete seines Kinderzimmers starrt. Eine Welt, aus der man manchmal verzweifelt fliehen möchte, aber außerhalb der man sich hoffnungslos verloren fühlt. Hoffnungslos allein. Und dennoch ist immer ein Hoffnungsschimmer vorhanden.
Und hier, trotz aller Widrigkeiten, trotz der Außenwelt, die immer gegen sie zu rudern scheint, überwindet die Kraft der jungen Menschen und ihr verzweifelter Wunsch zu leben, zu lachen, zu schreien, zu rennen, alle Probleme. Das Grau der Wiener Vorstädte kontrastiert wieder einmal mit den leuchtenden Farben seiner jungen Bewohner, die jede Straße, jede Brücke, sogar jedes schäbige Haus, das sie zufällig besuchen, bunt werden lassen.
Und die Kamera ihrerseits, was macht sie? Ganz einfach: Sie passt sich dem Elan der jungen Protagonisten, die versuchen, eins mit sich selbst zu werden, an, indem sie jede Halterung kategorisch ablehnt, sich aber nur auf den Arm des Kameramanns verlässt, umherwirbelt, die jungen Leute durchs Leben folgt und uns gleichzeitig die Realität nackt und roh, so wie sie ist, zeigt, mit einer Inszenierung, die an den schwedischen Film
Nur so konnte Barbara Albert Geschichten erzählen, die ebenso dramatisch wie außergewöhnlich frisch und fröhlich sind. Es gelang ihr, wahrscheinlich dank ihrer eigenen 29-jährigen Frische (auch wenn die Produktion ihres
Titel: Nordrand
Regie: Barbara Albert
Land/Jahr: Österreich, Deutschland, Schweiz / 1999
Laufzeit: 105′
Genre: Drama,Coming-of-age
Cast: Nina Proll, Edita Malovcic, Tudor Chirila, Astrit Alihajdaraj, Michael Tanczos, Georg Friedrich
Buch: Barbara Albert
Kamera: Christine A. Maier
Produktion: Fama Film AG, Lotus Film, Zero Film GmbH