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FISCH LERNT FLIEGEN

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von Deniz Cooper

Note: 6.5

In Fisch lernt fliegen verleiht die höchst surrealistische Prägung der inszenierten Geschichte dem ganzen Werk einen leichten, knackigen und unbeschwerten Charakter, ist aber gleichzeitig schwierig zu verarbeiten.

Ein ungewöhnliches Venedig

Der Goldfisch ist tot. Was ist zu tun? Sollte man ihn in seine natürliche Umgebung zurückbringen, indem man ihn von der Rialto-Brücke wirft oder wäre es besser, ihn wieder in die Kühltasche zu legen, in der er sich schon seit einiger Zeit befindet? Dies ist das Dilemma einer jungen Frau, die sich – aus dem einen oder anderen Grund – in einer ungewöhnlich verlassenen Stadt Venedig befindet. Bizarr, nicht wahr? Aber dies ist eigentlich nur der Anfang.

Fisch lernt fliegen brachte frischen Wind auf die Leinwände der 69. Berlinale – in der Reihe Perspektive Deutsches Kino – und der Diagonale 2019. Es handelt sich dabei um das glänzende Erstlingswerk (nach einer langen Karriere in der Werbung) des in Wien geborenen, aber in Berlin lebenden Schauspielers und Regisseurs Deniz Cooper.

Der junge Regisseur (Jahrgang 1985) ließ daher – zusammen mit der Co-Drehbuchautorin Salka Weber, die auch die Protagonistin spielt – seiner kühnsten Phantasie freien Lauf und realisierte, was mit viel, Freiheit als ein Lehrroman, eine erstaunliche Reise und ein bizarrer Wachstumsweg einer jungen Frau in einer der schönsten Städte der Welt betrachtet werden kann.

Diese ungewöhnliche Reise der Protagonistin – wie sie selbst einer Freundin erzählt, die alles tut, um sie nach Hause zu bringen – ist in drei Kapitel gegliedert und hat letztlich zum Ziel, sich von ihrem Goldfisch zu trennen, der starb, als die junge Frau erst sieben Jahre alt war. Ob dies der richtige Weg ist oder nicht, wird die sie jedoch erst erfahren, indem sie ihr Leben lebt.

Zu Beginn eine bizarre Ansammlung von Figuren, die aus einem Buch von Lewis Carrol zu kommen scheinen: ein verwirrter Gondoliere, der sich schließlich als Schauspieler entpuppt, ein amerikanisches Pärchen mittleren Alters, ein junger selbstmordgefährdeter Schriftsteller, ein älterer, aber recht energischer Sänger und nicht zuletzt ein mürrischer Concierge, der besorgt ist, dass die Protagonistin ihren Hotelaufenthalt nicht bezahlen könnte. Und dann Stereotypen, Stereotypen und wieder Stereotypen (besonders nennenswert ist der Kellner, der, nachdem er ein spärliches Trinkgeld erhalten hat, hinter dem Rücken des Kunden eine eindeutige Geste macht, sobald dieser gegangen ist).

All dies in einer Inszenierung, die in einem Moment so sehr an das Kino von Jean Pierre Jeunet erinnert (die Protagonistin könnte eine Art Amélie in Touristen-Version in Venedig sein) und im nächsten – vor allem wegen der Aufnahmen mit fester Kameraeinstellung sowie der Statik dieser und der dargestellten Figuren – an die Werke des Schweden Roy Andersson. Es ist diese äußerst subjektive Regie – zusammen mit dem 4:3-Format und den Pastellfarben der Aufnahmen -, die zusammen mit dem höchst surrealen Charakter der inszenierten Geschichte dem ganzen Werk einen leichten, funkelnden und unbeschwerten Charakter verleiht, gleichzeitig jedoch schwierig zu verarbeiten ist. Wenn auch nur für fünfundsechzig Minuten.

In der Tat ist das Hauptproblem eines Werkes wie Fisch lernt fliegen vor allem das Drehbuch (obwohl man zugeben muss, dass die Leidenschaft, mit der Cooper und Weber das Drehbuch umsetzen, geradezu spürbar ist). Wenn es tatsächlich nur wenigen Menschen von den Anfängen des Kinos bis heute gelungen ist, sich im Bereich des surrealen Kinos zu etablieren (Buňuel docet), so trifft es ebenso zu, dass angesichts der enormen Faszination, die es auf Zuschauer und an der Produktion Beteiligte ausübt, die meisten Regisseure, die sich daran wagten, am Ende (zumindest teilweise) kläglich scheiterten.

Nun, derart drastische Situationen spiegeln sich nicht in unserem Fisch lernt fliegen, doch muss man sich eingestehen, dass sich dieser Spielfilm von Deniz Cooper ab gut der Hälfte des zweiten Kapitels und bis zum Höhepunkt kurz vor Schluss im Kreis dreht, vieles plötzlich überflüssig ist und schließlich unwiderruflich seinen Biss verliert, so dass man annehmen kann, dass ein Kurzfilm oder, noch besser, ein mittellanger Film im gleichen Stil mit Sicherheit bessere Ergebnisse erzielt hätte.

Aber so ist es. So ist es bei Fisch lernt fliegen. Der Fisch hebt schließlich ab, so ist das nun einmal. Und am Ende ist es das Bild der Protagonistin von hinten, die bei Sonnenuntergang auf einem Boot aufs offene Meer hinausfährt, sowie die Frische und Klarheit des Blicks derer, die daran gearbeitet haben – zusätzlich zu der immer lobenswerten Lust, mit neuen Sprachen zu experimentieren -, die diejenigen, die dieses Werk gesehen haben, dazu bringen, es zu lieben.

Titel: Fisch lernt fliegen
Regie: Deniz Cooper
Land/Jahr: Deutschland, Österreich / 2019
Laufzeit: 65’
Genre: Experimentalfilm, Surrealistischer Film, Filmkomödie
Cast: Salka Weber, Alessandro Bressanello, Julia Edtmeier, Florian Carove
Buch: Salka Weber, Deniz Cooper
Kamera: Alex Haspel
Produktion: Salka Weber, Deniz Cooper

Info: Die Seite von Fisch lernt fliegen auf der Webseite der Berlinale