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von Wolfgang Fischer
Note: 7
In Wolfgang Fischers Styx sind die Gewässer, in denen das Boot der Protagonistein segelt, genau wie der Fluss Styx, Schauplatz des Todes, aber auch der Wiedergeburt, und das Ganze wird zu einer wichtigen Allegorie von Leben und Tod sowie zu einem getreuen Porträt der Menschheit.
Ein Fluss Namens Styx
Es gibt ein italienisches Sprichwort im kinematographischen Bereich, demzufolge es während der Dreharbeiten zu einem Film drei „verfluchte Bs“ gibt, d.h. drei Elemente – alle mit dem Buchstaben B als Initiale -, die die Produktion eines Spielfilms besonders schwierig gestalten, da sie sehr kompliziert zu handhaben sind. Diese Faktoren sind: Kinder (auf Italienisch: “bambini”), Bestien und Boote. Trotz der möglichen Schwierigkeiten waren diese drei B jedoch oft die Protagonisten von Filmen von großem, künstlerischem Wert. Und doch ist ein Risiko immer vorhanden. Natürlich zusammen mit der großen Faszination, die jeder der Faktoren auf viele Filmemacher von den Anfängen des Kinos bis heute ausübt. Wenn wir beispielsweise an einen Spielfilm wie Styx denken – das Ergebnis einer Koproduktion zwischen Österreich und Deutschland, die unter der Regie von Wolfgang Fischer entstand und zuerst bei der 68. Berlinale in der Reihe Panorama (wo sie nach den Publikumsvorlieben an zweiter Stelle stand) und später in der offiziellen Auswahl bei der Diagonale 2019 präsentiert wurde – können wir sehen, dass zwei der drei Elemente eine zentrale Rolle innerhalb des Werkes spielen.
Zuerst gibt es ein Boot: Das Boot, auf dem die Protagonistin Rike – eine brillante junge Ärztin – beschließt, allein Urlaub zu machen. Es ist nicht einfach, auf Booten zu drehen. Und doch gibt es Regisseure, denen dies im Laufe der Jahre mehr als hervorragend gelungen ist. Man denke zum Beispiel an Das Messer im Wasser (1962), das erste Erstlingswert von Roman Polanski, dem es trotz aller Schwierigkeiten gelang, die wenigen zur Verfügung stehenden Räume meisterhaft zu nutzen. Dasselbe gilt für unseren Wolfgang Fischer, der von den ersten Minuten an nach Aufbruch der Protagonistin die Räume bestens zu nutzen wusste.
Zweitens erscheint in Styx unerwartet ein Kind. Und es ist in der Tat nicht irgendein Kind. Das Kind, das Rikes Weg kreuzt, ist ein junges Waisenkind, das gerade seine Eltern beim Untergang eines Migrantenbootes verloren hat und auf dem Boot der Protagonistin Hilfe findet. Ein weiteres Element, das nicht leicht zu handhaben ist. Vor allem, wenn wir bedenken, dass das Kind weder Deutsch noch Englisch spricht. Und so wird die Sprache zu einem der zentralen Faktoren innerhalb des Spielfilms, in dem von Anfang an Stille herrscht, aber nach und nach verschiedene Kommunikationsebenen geschaffen werden.
Und dann gibt es das Wasser. Seit jeher ist Wasser eines der symbolträchtigsten Elemente, sowohl in der Literatur als auch in der Malerei und natürlich auch im Kino. Symbol der Geburt und – oft – der Wiedergeburt, in unserem Fall – wie der Titel selbst, Styx, suggeriert – sind die Gewässer, in denen das Boot der Protagonistin segelt, genau wie der Fluss Styx, das Theater des Todes (aufgrund des Hasses zwischen den Menschen und der daraus resultierenden Kriege), aber paradoxerweise auch der Wiedergeburt (einmal in die „Gewässer des Styx“ eingetaucht, werden beide Protagonisten – Rike und das Kind – verändert und nun unverwundbar herauskommen). Und so wird das Ganze zu einer wichtigen Allegorie des Lebens, des Todes und vor allem der Menschheit, indem eine Sprache gesprochen wird, die aktueller denn je, aber gleichzeitig auch universell ist.
Wolfgang Fisher hat seinerseits große Reife und Bewusstheit im Umgang mit all diesen Faktoren gezeigt, ohne jemals in bereits Gesehenem oder in gefährlicher Rhetorik zu enden. Der eigentliche Motor, der einen Spielfilms wie Styx antreibt, ist jedoch die Protagonistin: Die junge Susanne Wolff, mit einem intensiven und magnetischen Gesicht, ohne je zu übertrieben. Die Kamera weicht praktisch nie von ihr, dem wahren Drehpunkt, um den der ganze Film kreist, ab, der, obwohl an sich schon besonders vielversprechend, auf der 68. Berlinale eine echte Überraschung war.
Titel: Styx
Regie: Wolfgang Fischer
Land/Jahr: Deutschland, Österreich / 2018
Laufzeit: 94’
Genre: Drama
Cast: Susanne Wolff, Gedion Oduor Wekesa
Buch: Wolfgang Fischer, Ika Künzel
Kamera: Benedict Neuenfels
Produktion: Schiwago Film