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von Tizza Covi und Rainer Frimmel
Note: 7.5
Mister Universo, das jüngste Werk von Tizza Covi und Rainer Frimmel, hat den Hauptzweck, uns für knapp zwei Stunden in eine eigene Welt zu katapultieren, uns für einen Moment den Kontakt zur Realität verlieren zu lassen und uns während der gesamten Länge des Spielfilms alles um uns herum vergessen zu lassen.
In der Zwischenzeit, in einem entlegenen Winkel der Welt…
Die Regisseure Tizza Covi und Rainer Frimmel, – sie stammt aus Bozen und er aus Wien, – haben in ihrem jüngsten Spielfilm Mister Universo, dem dritten Kapitel – sofern es erlaubt ist, von Kapiteln zu sprechen – einer Trilogie, die in der Welt des Zirkus spielt, einen bewährten und erfolgreichen Weg weitergeführt, der mit La pivellina (2009 gedreht und mit zahlreichen internationalen Preisen bedacht) begann und mit der Produktion von Der Glanz des Tages (2012) fortgesetzt wurde. Was die Filmemacher von Anfang an wollten, war, ganz klar, eine Welt abzubilden, deren Schicksal es zu sein scheint, langsam zu verschwinden. Mit viel Platz für Magie, Esoterik und Aberglauben, welche durch einen rigorosen Realismus kontrastiert werden.
Wieder einmal – wie schon in der Vergangenheit – der Zirkus, wieder einmal ein sehr persönlicher Fokus auf einen der dort arbeitenden Artisten. Mister Universo erzählt die Geschichte des jungen Tairo, Tierliebhabers und äußerst pragmatischer Mensch, mit einer einzigen „Achillesferse“: ein Stück Eisen, das zu seiner Zeit von dem bärenstarken Arthur Robin, ’57 zum Mister Universe gewählt, gebogen wurde. Dieses kostbare Andenken war für Tairo immer eine Art Talisman, ein Glücksbringer von großem emotionalem Wert. Und so wird sein Verlust den Jungen dazu bringen, von Rom nach Mailand zu fahren, mit vielen Zwischenstopps, um schließlich Arthur Robin zu finden und sich ein weiteres Stück Eisen biegen zu lassen.
Eine neue herausfordernde Geschichte für das Filmemacherpaar, in der die Magie zusammen mit Aberglauben jeglicher Art (insbesondere in Bezug auf die Figur der Wendy, die Freundin von Tairo) zur Hauptdarstellerin wird. Was bei dieser Regie jedoch die meiste Aufmerksamkeit erregt, ist die einzigartige Inszenierung, die – gerade wegen der Form auf halbem Weg zwischen Spielfilm und Dokumentarfilm – durch den klaren und aufrichtigen Blick sowie dem eindeutigen – und sehr gelungenen – Nachhall auf Zavattini auffällt. Und tatsächlich hat Mister Universo – wie auch die beiden anderen Spielfilme der Trilogie – zunächst einmal den Anschein eines abendfüllenden Dokumentarfilms, um dann jedoch deutlich werden zu lasse, dass das Werk – ohne ein richtiges Drehbuch, sondern mit improvisierten Dialogen (welche bisweilen jedoch – verzeihlicher Fehler des gesamten Werkes – nicht allzu spontan wirken, insbesondere im Hinblick auf einige Nebenfiguren) und nicht-professionellen Schauspielern, die sich selbst verkörpern, im Sinne der Commedia dell´Arte zuvor von den Autoren geschrieben wurde.
Zusammen mit dem magischen Element spielt das Zirkuselement seit den Ursprüngen des Kinos eine fundamentale Rolle, ein echtes Faszinationsinstrument für Filmemacher aus aller Welt. Und da im vorliegenden Fall dieselben Zirkuskulissen eine „außerweltliche“ Welt darstellen, die morgen sogar verschwinden könnte, verleihen sie dem Ganzen jenen Hauch von Magie und Mysterium, der sich hervorragend mit der äußerst realistischen Inszenierung verbindet. Dieser Zirkus von Tizza Covi und Rainer Frimmel ist nie „spektakulär“ (abgesehen vielleicht von der Schlussszene, in der Wendy als Schlangenmensch auftritt), nie Fellinian, und auch nie verstörend oder unheimlich, wie die Zirkuswelt von Robert Wiene und Tod Browning. Es ist ein Zirkus, der jedoch etwas Magisches, äußerst Zerbrechliches und Vergängliches hat, eine fast märchenhafte Dimension, in die die Protagonisten eintauchen. Und das kann uns nur entführen, betäuben, verwirren und faszinieren.
Titel: MIster Universo
Regie: Tizza Covi, Rainer Frimmel
Land/Jahr: Österreich, Italien / 2016
Laufzeit: 90’
Genre: Dokumentarfilm
Cast: Tairo Caroli, Wendy Weber, Arthur Robin, Lilly Robin
Buch: Tizza Covi
Kamera: Rainer Frimmel
Produktion: Vento Film