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SAFARI

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von Ulrich Seidl

Note: 7

Außer Konkurrenz bei den 73. Filmfestspielen von Venedig wird Safari präsentiert, das jüngste Werk des berühmten und umstrittenen österreichischen Filmemachers Ulrich Seidl, der mittlerweileam Lido zu Hause zu sein scheint, wo er – extremer denn je – Publikum und Kritiker schockierte und eine Reihe von Kontroversen über das, was er auf rohe und explizite Weise inszenieren wollte, auslöste.

Kein Filter

Lido von Venedig, Sommer 2016. Außer Konkurrenz bei den 73. Filmfestspielen von Venedig wird Safari präsentiert, das neueste Werk des berühmten und umstrittenen österreichischen Filmemachers Ulrich Seidl, der mittlerweile am Lido zu Hause zu sein scheint (man denke nur daran, dass er erst 2012 mit seinem Paradies: Glaube um den begehrten Goldenen Löwen konkurrierte), wo er – extremer denn je – Publikum und Kritiker schockierte und eine Reihe von Kontroversen über das, was er auf rohe und explizite Weise inszenieren wollte, auslöste.

Eine Reihe von Gemälden, Porträts von bizarren Figuren, die eine große Leidenschaft verbindet: die Jagd. Ihr Stolz auf die Tötung seltener Exemplare. Ihre Trophäen. Und nicht zuletzt ihre skrupellosen Jagdexpeditionen. All dies zeigt dieser Dokumentarfilm von Seidl, der, wie in seiner Filmografie üblich, die österreichische Gesellschaft im Besonderen und ganz allgemein die heutige Gesellschaft, in der – wie die Exponenten des Österreichischen Sozialkritischen Theater (Thomas Bernhardt, Elfriede Jelinek und Peter Turrini) sagten – ein gefährlicher latenter Faschismus, der im einfachsten und banalsten Alltag jedes „Musterbürgers“ präsent ist, auf extreme Art und Weise kritisiert. Dieses Thema liegt vielen Vertretern der Siebten Kunst am Herzen. Ein Thema, das auch – wenn wir unsere Aufmerksamkeit ausschließlich auf das zeitgenössische Kino richten wollen – dem berühmten und preisgekrönten Michael Haneke sehr wichtig ist. Natürlich hat jeder von ihnen die Geschichte der Gesellschaft auf seine Weise zu erzählen gewusst: durch Ironie, durch Dramatik oder auch durch eine Art visuelles und auditives „Spiel“ mit dem Publikum. Zweifellos ist Seidl – verglichen mit den oben genannten Namen – der extremste von allen.

Seine Regie – inzwischen sein Markenzeichen – ist meisterhaft und tadellos, mit zahlreichen festen Kameraeinstellungen und Charakteren, die unbeweglich und stolz auf ihr Leben und ihre Art zu sein sind. Derart steif, dass sie geradezu unecht wirken. Die Porträts, die daraus entstehen, sind groteske Bilder von dem, was wir heute sind – uneingedenk dessen, was in den vergangenen Jahrzehnten geschehen ist. Insbesondere in Safari wird die Brutalität des Menschen durch die Darstellung reicher bürgerlicher Jagdbegeisterter nacherzählt. Und die Botschaft kommt an. Und wie. Auf drastische Art und Weise. Ein erster Kritikpunkt, den man gegen ein Werk wie Safari richten könnte, ist jedoch folgender: Um zu sagen, was gesagt werden soll, hätte ein Film von mittlerer Länge gereicht, da Seidl oft bereits weit entwickelte Konzepte wiederholen zu wollen scheint, auch auf die Gefahr hin, repetitiv und bisweilen redundant zu wirken. Aber, man weiß, das sorgfältige Auge des Regisseurs überlässt nichts dem Zufall, sondern kalibriert im Gegenteil jede Aufnahme, jede einzelne Szene auf eine fast wissenschaftliche, nahezu wahnsinnige zwanghafte Art und Weise. Nichts ist also zufällig. Nichts ist (zumindest nach Aussage des Filmemachers) grundlos. Nicht einmal der beunruhigendste Moment des ganzen Films, in dem die Kamera gnadenlos die toten Tiere fokussiert, die in den Schlachthöfen gehäutet mit Nahaufnahmen ihrer Eingeweide werden. Wir sind uns einig: Damit eine bestimmte Botschaft ankommt, ist es oft notwendig, sich „die Hände schmutzig zu machen“. Und doch muss man sagen, dass Seidl in dieser Arbeit wie nie zuvor bewusst zu weit gegangen ist, mit einer guten Dosis Selbstzufriedenheit und Selbstreferentialität.

In diesem Zusammenhang symbolisiert auch die Szene, in der eine sterbende Giraffe nach dem Abschuss gezeigt wird – die stärkste, die je in einem österreichischen Autorenfilm gezeigt wurde – die Brutalität des Menschen, aber sie ist entschieden übertrieben und zeugt von einem nicht immer klaren und ehrlichen Autorenblick. Und diese Haltung von Seidl bewirkt nichts anderes, als dass eine respektable Arbeit viele Punkte verliert. Das ist Schade!. Wer weiß, was der verstorbene André Bazin gesagt hätte, wenn er eine so drastische und explizite Darstellung des Todes gesehen hätte. Dies werden wir leider nie mit Sicherheit wissen. Wir können es uns jedoch (nicht allzu) vage vorstellen.

Titel: Safari
Regie: Ulrich Seidl
Land/Jahr: Österreich, Dänemark, Deutschland / 2016
Laufzeit: 90′
Genre: Dokumentarfilm
Cast: Manuel Eichinger, Gerald Eichinger, Marita Neemann, Markolf Schmidt, Eric Mueller
Buch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Kamera: Ulrich Seidl, Wolfgang Thaler, Jerzy Palacz
Produktion Ulrich Seidl Film Produktion GmbH

Info: die Sektion von Safari auf ulrichseidl.com